16.00 Uhr
Festveranstaltung Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste
Wir freuen uns auf die Pianistin als neue Artist in Residence und haben sie zu ihrer Saison 2025/26 bei uns befragt.
Ich habe sieben Jahre in Berlin gelebt und war in dieser Zeit oft und gerne im Konzerthaus, das ich besonders für seine vielseitigen und innovativen Programme geschätzt habe. Auch die Tatsache, dass es so zentral gelegen und leicht zugänglich ist, empfinde ich als einen sehr wichtigen Faktor für das kulturelle Leben der Stadt Berlin. Da ich einen wichtigen Teil meines Lebens in Berlin ver - bracht habe, bedeutet mir diese Stadt viel, und ich freue mich sehr, für diesen besonderen Anlass in die Heimat meiner 20er zurückzukehren.
Berlin ist der einzige Ort in Deutschland, an dem ich nicht gefragt werde, woher ich komme. Für jemanden, die diese Frage in ihrem eigenen Herkunftsland täglich hört, bedeutet allein die Tatsache, sich nicht ständig für ihr Aussehen rechtfertigen zu müssen, ein Gefühl von Akzeptanz und Zugehörigkeit.
Bryce Dessner ist ein Musiker und Komponist, dessen Arbeit ich schon lange bewundere, und ich habe mich natürlich riesig gefreut, als er zusagte, ein Klavierkonzert für mich zu schreiben. Es ist das erste Mal, dass ein Komponist ein Konzert für mich komponiert hat. Der enge Austausch mit ihm während des Erarbeitungsprozesses war eine spannende und bereichernde Erfahrung. Das Konzert ist seiner Schwester Jessica, einer Tänzerin und Choreografin, gewidmet. Alle drei Sätze sind stark von Tanz, Rhythmus und physischem Ausdruck geprägt. Auch für mich ist es eine körperlich herausfordernde Partie – es gibt weniger als 20 Takte, in denen ich pausieren kann. Mittlerweile habe ich das Konzert schon einige Male gespielt. Es macht mir große Freude, immer wieder neue Facetten daran zu entdecken und mich fortlaufend mit Bryce über Interpretation und kleine Anpassungen auszutauschen.
„Papa Haydn“ – so nannten Joseph Haydn liebevoll seine Musikerkollegen und Zeitgenossen, dessen Stil nicht nur seine eigene, sondern auch viele nachfolgende Generationen prägte. Dieses Programm ist eine Hommage an Haydn und seine Zeitgenossen im Hausmusik-Stil – ein Kontrast zur oft formellen und absoluten Aufführungspraxis im Konzertsaal. Es vereint Lieder, Kammer- und Ensemblewerke von Haydn, Mozart, Pleyel und Carl Philipp Emanuel Bach. Durch die fließenden Übergänge zwischen zusammenpassenden und kontrastierenden Stücken möchte ich das Publikum einladen, sich vorzustellen, wie diese Musik einst im privaten Kreis unter Freunden erlebt wurde.
Neben den schon erwähnten Konzerten freue ich mich unter anderem auf mein Rezital im Konzerthaus. Dort stelle ich die Zeitgenossen Ludwig van Beethoven und John Field, den Erfinder des Nocturnes, einander gegenüber, und werde nicht nur musikalisch die Ähnlichkeiten und Unterschiede beleuchten, sondern auch das Programm moderieren. Eine solche Zusammenarbeit mit einem Haus wie eine Residency gibt mir die Möglichkeit, mich aus verschiedenen Perspektiven künstlerisch zu positionieren und die Menschen kennenzulernen, die das Haus und damit auch die Kultur Berlins prägen und mitgestalten, sowie ihre Community mitzuerleben. Und ich freue mich natürlich riesig auf die Projekte mit dem Konzerthausorchester und Joana Mallwitz. Joana habe ich vor über 20 Jahren bei einem Klavierwettbewerb in Nürnberg kennengelernt. Ich bewundere sehr, wofür sie sowohl musikalisch als auch gesellschaftlich einsteht. Daher hat es eine ganz besondere Bedeutung für mich, in diesem Rahmen mit ihr arbeiten und musizieren zu dürfen.
Wenn man sieht, was in der Welt passiert, und spürt, wie auch in Deutschland demokratische Werte schwinden und gesellschaftliche Spaltungen zunehmen, wünsche ich mir, dass wir endlich verstehen, wie wichtig es ist, in den Erhalt und die Weiterentwicklung eines Kulturstaats zu investieren. Wo sonst, wenn nicht in der Kultur, gibt es Orte, an denen Menschen zusammenkommen, um in der Gemeinschaft etwas zu erleben und sich in der Kunst des Zuhörens zu vereinen?