16.00 Uhr
Festveranstaltung Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste
Wie lockt mich Zürich // dass ich alles fasse:
Hier See und Wolke // Alpe, Mond und Wald
und dort der Grossstadt // steinerne Terrasse.
– Klabund
Prägnanter als der Dichter und Bohèmien Klabund (1890 – 1928), der regelmäßig, ruinös und leider unerfolgreich seine Schwindsucht in der Schweiz zu kurieren versuchte, kann man Zürich nicht zusammenfassen. Wir können nur hinzufügen: Auf der einen Seite der Gendarmenmarkt, auf der anderen Seite ein großer See mit sachte schaukelnden Booten und einem gegenüberliegenden Ufer, an dem sich Alpengipfel abzeichnen – das wäre doch die Ideallage fürs Konzerthaus!
Ein langer, anstrengender Vortag mit Reise von Antwerpen nach Friedrichshafen und anschließendem Konzert schmilzt jedenfalls in der eidgenössischen Sonne weg wie Schweizer Schokolade. Ein paar kurze Nachmittagsstunden bleiben zwischen Ankunft und Anspielprobe in der wenige Minuten vom Hotel direkt am Zürichsee gelegenen Tonhalle. Einige von uns sind bestens vorbereitet, schnappen ihr Badezeug und mischen sich unter Badevolk jeglichen Alters und unerschütterliche Enten, die sich dazwischen ihren Weg bahnen. Andere flanieren ein bisschen und lassen dann lieber von einer Café-Terrasse den Blick über den See ins Weite gleiten.
(Herzlichen Dank an Solo-Klarinettist Ralf Forster für seine wunderbaren Fotos: See mit Bergblick in Zürich; Rasch raus aus dem Bus – und rein in See oder Café; Jana Krämer-Forster aus den 2. Geigen zwischen urbanem Grün.)
Der berühmte Konzertsaal von 1895 gibt sich nach außen ganz helvetisch zurückhaltend, innen aber glänzt die „Große Tonhalle“ in Gold wie unser Großer Saal – allerdings in Variante Fin de Siècle statt Schinkel. Vom „Komponistenhimmel“ (offizieller Name) blicken Mozart, Brahms und Co ein wenig streng umspielt von lasziven musikalischen Engeln aufs Publikum herab.
In den verwinkelten Backstagegängen sind an jeder Tourneestation die gleichen Fragen zu klären: Wo steht die Kiste mit meinem Instrument, wo gehts zur Bühne, wo sind die Garderobenkisten, ist für die Grundversorgung gesorgt – Wasserspender und im besten Fall auch ein Kaffeevollautomat – oder muss man sich auf die Suche nach der Cafeteria machen? Ist alles gefunden, wird auf der Bühne beim Einspielen die Saalakustik geprüft.
Nach und nach füllen sich die Reihen auf der Bühne, unser Solist Giorgi Gigashvili, der hier und in Ludwigsburg Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 3 spielt, wird von Joana Mallwitz begrüßt – und los gehts. Intendant Tobias Rempe und Orchesterdirektor Ulf Werner sitzen mitten im Saal und geben Rückmeldungen zur Akustik. Allerdings ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass leerer Saal immer anders als ein voller Saal klingt!
(Und noch einmal Fotos von Ralf Forster: Joana Mallwitz und Mitarbeiter Hans Brauß auf dem Weg hinter die Bühne; Flötistin Antje Schurrock zeigt den Weg; Solo-Horn José Cortell und Kollege Yu-Hui Chuang nach getaner Arbeit; Orchesterdirektor Ulf Werner (rechts) mit Orchesterwart Gregor Beyer in einer sehr kurzen Pause.)
Im Leben und auf Tournee ist nicht alles planbar – aber vieles. Wer eine Tournee organisiert, muss viele Interessen berücksichtigen. Das fängt mit einem möglichst geringen ökologischen Fußabdruck an und hört mit der idealen Zeit zwischen Ende der Anspielprobe und Beginn des Konzerts nicht auf, erzählt Orchesterdirektor Ulf Werner:
„Grundsätzlich geht es immer darum, Strecken zwischen Auftrittsorten in zumutbarer Zeit zu bewältigen. Nicht nur die Musikerinnen und Musiker müssen von A nach B, sondern auch unser Instrumenten-LKW, der außer bei Fernzielen die ganze Zeit mitfährt. Wenn wir fliegen, um Reisezeiten zumutbar zu halten, wird es für ihn am Boden manchmal sehr knapp. Da darf dann nichts schief gehen. Die Alternative wäre, einen Konzertort nicht in die Tournee aufzunehmen, aber so etwas ist immer schade.
Sowohl die Logistik als auch die Kosten einer Orchestertournee sind ein großes Puzzle. Gerade bei längeren Reisen und solchen, die weiter weg führen, wie zum Beispiel nach Japan, arbeiten wir mit Agenturen vor Ort zusammen, die uns einen Ablaufplan zusammenstellen und auch die Buchungen übernehmen. Wenn wir selbst planen, müssen wir im Auge behalten, welche Reisealternativen es an einem Tag möglichst auch spontan gibt. Wer im komplett überfüllten Zug stehend dem Konzertabend entgegenreist, hat später auf der Bühne keine Kraft mehr für ein gutes Konzert.“
Während es für Ulf Werner die letzte Orchesterreise vor seinem Ruhestand ist, sind drei Mitglieder der Kurt-Sanderling-Akademie mit uns auf ihrer ersten Tournee mit einem professionellen Sinfonieorchester. Wir haben Veronika Kahrer aus den 2. Geigen und Yeunwoo Park aus den Bratschen gefragt, wie es ihnen unterwegs geht.
„Ich war schon mit Jugendorchestern auf Tourneen. Manches ist ähnlich, anderes nicht. In einem Profiorchester hat man zum Beispiel nur eine sehr kurze Probenzeit, in Jugendorchestern gibt es vorher Arbeitsphasen, und auf Tournee ist man auch mal mehrere Tage an einem Ort. Als Akademistin lerne ich auch auf Tournee sehr viel, was ich als Orchestermusikerin brauche“, so Veronika Kahrer, deren Mentorin Karoline Bestehorn ist, und zählt auf: „Repertoirekenntnisse, Zusammenspiel, Konzertvorbereitung, mich auf unterschiedliche Säle einzustellen – das ist wirklich spannend!“
Yeunwoo Park, die von Solo-Bratscherin Amalia Aubert betreut wird, nickt und ergänzt: „Es ist auch ganz wichtig, dass man fit bleibt auf einer Tournee und nicht krank wird. Vorher habe ich schon gedacht, dass es anstrengend sein könnte, so viel unterwegs zu sein und abends zu spielen. Jetzt weiß ich, dass es das ist [lacht]. Aber es macht einfach sehr viel Spaß und ich lerne sehr viel von meinen Pultnachbarn – Timing, Intonation im Zusammenspiel, kleine Zeichen. Ich hatte von Freunden gehört, dass wenige Säle so schön wie die Tonhalle Zürich sind. Also habe ich mich schon ganz besonders darauf gefreut, hier spielen zu können.“
Das Publikum in der Tonhalle, das unserem Pianisten Giorgi Gigashvili nach Rachmaninow 3 noch zwei Zugaben entlockte, legte keinerlei sprichwörtlich schweizerische Zurückhaltung an den Tag, hat minutenlang im Stehen applaudiert und „Bravo“ in den Saal gerufen. Nach Schubert hat es dann einfach weitergemacht. Resultat: Ein sehr glückliches Konzerthausorchester samt Chefdirigentin! Fotograf Gaëtan Bally hat die Atmosphäre des Konzerts für uns festgehalten.