20.00 Uhr
Weihnachtskonzert des Georg-Friedrich-Händel-Gymnasiums
Kammermusik des Konzerthausorchesters Berlin
Daniel Werner Piccoloflöte
Petr Matěják Violine
Hitoshi Ooka Violine
Ayano Kamei Viola
Jae Won Song Violoncello
PROGRAMM
Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791)
Oboenquartett F-Dur KV 370 (Bearbeitung für Piccoloflöte und Streichtrio)
Allegro
Adagio
Rondeau. Allegro
Allan Stephenson (1949-2021)
„Miniature Quartet“ für Piccoloflöte und Streichtrio (2008)
Allegro
Poco lento
Allegro giocoso
PAUSE
Giacomo Puccini (1858-1924)
Streichquartett D-Dur
Allegro moderato
Adagio
Scherzo. Allegro vivo
Allegro vivo
Giacomo Puccini
„Crisantemi“ für Streichquartett
Ein Oboist, dessen Name keine Rolle spielt, wird zum besser besetzten Flötisten, ein Cellist schreibt reihenweise Miniaturen für seine Freunde, und Puccini komponiert widerwillig, aber pflichtbewusst für ein Miniatur-Orchester: das Streichquartett. Das ist die heutige Kammermusik des Konzerthausorchesters. Viel Spaß!
„Der Hautboist, dessen Namen ich nicht mehr weis, welcher aber recht gut bläst, und einen hübschen feinen Ton hat.“ Der Name dieses Oboisten, von dem Wolfgang Amadeus Mozart 1777 in einem Brief seinem Vater erzählte, sollte ihm schon bald nicht mehr aus dem Kopf gehen: Friedrich Ramm spielte seit seinem 14. Lebensjahr für Karl Theodor, welcher erst in Mannheim für die Kurpfalz und später in München für Bayern Kurfürst war. Schon in Mannheim hatte sich unter ihm eines der besten Hoforchester zusammengefunden, von dem Mozart bei seinem ersten Besuch mit der Frau Mama nach Hause berichtete. Er bewarb sich sogar um eine Anstellung, bekam zwar eine Absage, aber blieb in enger Freundschaft mit dem Kapellmeister Christian Cannabich, Flötist Johann Wendling und eben diesem Oboisten Friedrich Ramm so verbunden, dass er Werke für diesen komponierte. Zuerst ein Oboenkonzert und dann, als der Kurfürst nebst Orchester nach München übergesiedelt waren, auch ein Quartett mit der ungewöhnlichen Besetzung Oboe, Violine, Viola und Violoncello. Da aber nicht nur die Liebe zu guten Musikern bei Mozart besonders ausgeprägt war, sondern auch ein Bedürfnis nach finanzieller Unabhängigkeit, war er kurz darauf ohne großes Zögern dazu bereit, das Oboenkonzert für eine kurze Tournee nach Paris in ein Flötenkonzert umzuwandeln. Das hatte einfach bessere Aussichten auf Erfolg, gab es doch einen wohlhabenden Geldgeber, dessen Lieblingsinstrument die Querflöte war.
Also nehmen wir doch einfach an, dass ihm auch die heutige Version seines wunderschönen und – den sagenumwobenen Fähigkeiten Ramms angemessen – anspruchsvollen Werks in der Besetzung mit Piccoloflöte gefallen hätte: ein fein singender Allegro-Kopfsatz in Sonatenform, ein pathetisches Adagio mit Anklängen an den bald darauf entstehenden „Idomeneo“ und ein Rondo, in dem die Piccolo einfach frech einen Viervierteltakt auf den typischen Sechsachteltakt setzt, ohne sich von den Streicher*innen irritieren zu lassen.
Es gibt eine ganze Reihe an Werken von Allan Stephenson, die den gleichen Titel tragen: Miniature Quartet. Die Besetzung ist unterschiedlich, Streichinstrumente sind meist involviert, dazu eine Oboe, ein Fagott, eine Piccolo. Einmal sind es auch vier Saxofone, die ein „Miniature Quartet“ von Stephenson bekommen haben. 2008 schrieb er eins für Bridget Stroebel, die im Cape Town Philharmonic Flötistin war. In eben jenem Orchester war auch Allan Stephenson viele Jahre zuvor selbst als Solo-Cellist engagiert gewesen, bevor er zuerst am South African College Cello unterrichtete und später an der Universität auch Lehrer für Komposition wurde. Eigentlich stammte Stephenson aus Liverpool und war mehr aus Zufall in Südafrika gelandet. Heute wird er tatsächlich als südafrikanischer Komponist und Cellist wahrgenommen. Er komponierte über 110 Werke, darunter zahlreiche Instrumental- und Kammermusikstücke, drei Opern, einen Akt der sogenannten „Mandela-Trilogie“, die die drei Lebensabschnitte von Nelson Mandela dokumentiert, zwei Sinfonien und Konzerte für Klavier, Violine, Cello sowie nahezu alle Blasinstrumente. Stilistisch fühlte sich Allan Stephenson der englischen Spätromantik verbunden, Komponisten wie Edward Elgar, Frank Bridge oder Arnold Bax. Und trotzdem ist seine Klangsprache keinesfalls anachronistisch. Auch dieses „Miniature Quartet“ hat immer wieder Abschnitte, in denen Rhythmus und Harmonik ziemlich avantgardistisch daherkommen. Letztlich wollte Allan Stephenson, der 2021 nach kurzer Krankheit starb, vor allem eins: mit seiner Musik unterhalten.
Vielleicht kann man so auch Puccinis Musik am besten beschreiben: unterhaltsam. Was er aber auf keinen Fall gut fand: Miniaturen. Er war der Mann für die große Bühne. Und wie alle Opernkomponisten Italiens hat auch Giacomo Puccini nur kurze Ausflüge in den Bereich der reinen Instrumentalmusik unternommen. Das Streichquartett D-Dur ist vermutlich zwischen 1881 und 1883 entstanden. In dieser Zeit studierte Puccini am Konservatorium in Mailand bei Antonio Bazzini Komposition. Und auf dessen Lehrplan stand auch ein Streichquartett. Puccini berichtete seiner Mutter in einem seiner Briefe davon und absolvierte die Aufgabe brav, wenn auch mit wenig Enthusiasmus. Nur so ist zu erklären, warum das Stück sofort weggepackt und vergessen wurde. Erst Jahre später tauchten die einzelnen Sätze an verschiedenen Orten wieder auf, entweder als Manuskripte oder als Transkriptionen für andere Kammermusik, die von Puccinis jüngerem Bruder Michele angefertigt wurden. Casa Ricordi, der Verlag, der alle Werke Puccinis verlegt, veröffentlichte auch dieses Streichquartett, dessen kompositorische Vorbilder ganz klar herauszuhören sind: Grieg, Borodin, Dvořák und natürlich Verdi.
Das andere, ungleich kürzere, dafür viel bekanntere Werk Puccinis für Streichquartett sind die „Crisantemi“. Im Januar 1890 erreichte ihn die Nachricht vom Tod seines Freundes Prinz Amedeo von Savoyen-Aoste, der im Alter von nur 44 Jahren an den Folgen einer Lungenkrankheit gestorben war. An einem einzigen Abend komponierte er eine Elegie für Streichquartett und gab ihr als Titel den Namen der italienischen Trauerblume schlechthin: die Chrysantheme. Das dreiteilige Werk ist eine eindringliche Klage mit einer Reihe intensiver Höhepunkte, die die vier Streicher*innen teils sogar unisono spielen. „Crisantemi“ wurde am 26. Januar uraufgeführt und später – ob des großen Erfolgs – natürlich von Puccini recycelt. Opernliebhaber*innen kennen die Themen aus dem 3. Akt von „Manon Lescaut“, wo der Komponist sie einsetzt, um die Szene von Manons Inhaftierung zu begleiten.
Daniel Werner wurde in Meran (Südtirol) geboren und studierte in Bozen sowie in München bei Andrea Lieberknecht. 2017 trat er als Solo-Piccoloflötist ins Konzerthausorchester Berlin ein. Er ist Mitglied der „14 Berliner Flötisten“.
Petr Matěják wurde in Tschechien geboren und studierte in Philadelphia am Curtis Institute of Music sowie an der Berliner Hochschule für Musik Hanns Eisler. Stark beeinflusst hat den Vorspieler der Ersten Violinen der Geiger Václav Hudeček, mit dem er oft gemeinsam Konzerte gibt. Bevor er 2018 ins Konzerthausorchester eintrat, war er drei Jahre lang Erster Konzertmeister des Orchesters der Komischen Oper Berlin. Er spielt außerdem im Konzerthaus Kammerorchester.
Hitoshi Ooka wurde im japanischen Osaka geboren und hat in seiner Heimatstadt bei Machie Oguri, in Nürnberg bei Daniel Gaede sowie an der UdK bei Latica Honda-Rosenberg studiert. Der Preisträger verschiedener Wettbewerbe war 2014/15 Stellvertretender Stimmführer der Zweiten Geigen im Staatsorchester Rheinische Philharmonie und seit 2015 Mitglied der Ersten Geigen im Beethoven Orchester Bonn. Er ist Mitglied im Quartet Miotsukushi und seit Januar 2025 in der Probezeit bei unseren Ersten Violinen.
Ayano Kamei wurde im japanischen Nagoya geboren. Sie studierte am Toho Gakuen College Geige und wechselte im vierten Studienjahr zur Bratsche. Seit 2019 ist die Stellvertretende Solo-Bratscherin Mitglied im Konzerthausorchester Berlin, außerdem spielt sie im Konzerthaus Kammerorchester. Davor war Ayano Kamei seit 2011 Mitglied des SWR Sinfonieorchesters. Die Preisträgerin mehrerer nationaler Wettbewerbe spielte unter anderem unter Leitung von Seiji Ozawa als Solistin mit verschiedenen japanischen Orchestern. Als Kammermusikerin war sie beispielsweise bei den International Sejong Soloists (NY), beim Aspen und beim Affinis Music Festival sowie den Dresdener Musikfestspielen zu Gast.
JaeWon Song wurde in Seoul geboren und studierte in Köln bei Frans Helmerson und beim Alban Berg Quartett sowie in Frankfurt bei Antonio Meneses und Michael Sanderling. Seit 2000 ist sie Mitglied des Konzerthausorchesters Berlin. Sie ist Preisträgerin mehrerer koreanischer Wettbewerbe und Stipendiatin der Stiftung Villa Musica, wo sie von renommierten Künstler*innen wie Thomas Brandis und Miriam Fried Impulse erhielt. Am Konzerthaus Berlin tritt die begeisterte Kammermusikerin immer wieder in verschiedenen Ensembles auf. Jae Won Song spielt außerdem im Konzerthaus Kammerorchester.
Was war da los? Unsere KHO-Musikerinnen und Musiker erzählen, wie es zu einem Schnappschuss vor dem Konzert kam – dieses Mal mit Geigerin Avigail Bushakevitz und Garderobe 043.