20.00 Uhr
Weihnachtskonzert des Georg-Friedrich-Händel-Gymnasiums
Fünf Tage lang feierte das Konzerthaus Berlin zwei Komponistinnen, die die Musik des 20. Jahrhunderts beinflusst haben: Lili Boulanger, 1913 als hochbegabte 20-jährige mit dem Prix de Rome ausgezeichnet, starb kaum fünf Jahre später und hinterließ so nur ein schmales Lebenswerk. Ihre Schwester Nadia, 1887 geboren, sollte 92 werden und prägte Komponistinnen und Komponisten mehrerer Generationen, obwohl sie nach Lilis Tod selbst keine Musik mehr schrieb.
In ihrer Wohnung in der Rue Ballu führte die berühmte in Paris und den USA lehrende Klavier- und Kompositionspädagogin Nadia Boulanger über viele Jahrzehnte bis fast zu ihrem Tod 1979 einen musikalischen Salon, in dem sie auch unterrichtete. Ob Alte oder zeitgenössische Musik, Werke von Lili Boulanger oder Igor Strawinsky – in der „Boulangerie“, die jeweils mittwochs ihre Türen öffnete, gab es immer Hervorragendes zu hören. Das sprach sich herum und zog zahllose Musikerinnen und Musikern an, darunter Aaron Copland, Leonard Bernstein, Jean Françaix, Astor Piazzolla, Philip Glass und Quincy Jones.
Für unsere Hommage hat Autor Volker Hagedorn der Vergangenheit Stimmen und Stimmungen der „Boulangerie“ abgelauscht und ein „Pasticcio“ geschaffen. Am Auftaktabend (natürlich einem Mittwoch) ließen Christiane Paul und Ulrich Noethen als Sprecherin und Sprecher gemeinsam mit dem großartigen Boulanger Trio das Publikum eintauchen in private Dramen und historische Umbrüche, Leben und Musik der Schwestern.
Umrahmt von Werken der Zeitgenossen Ravel, Fauré und Debussy musizierte das Konzerthausorchester unter Leitung von Shiyeon Sung zwei Orchesterstücke von Lili Boulanger, eines schwermütig, eines heiter – eine Ahnung, was alles hätte kommen können, wäre ihr eine längere Lebenszeit vergönnt gewesen. Mal impressionistiisch zart, mal von Strawinsky-Rhythmen inspiriert erklangt außerdem Nadia Boulangers Klavierfantaisie von 1912, gespielt von Solist William Youn.
Zum Nach(t)gespräch über die Boulanger-Schwestern trafen sich Dirigentin Shiyeon Sung, Klaviersolist William Youn und unser Intendant Tobias Rempe nach dem Orchesterkonzert.
Einen zeitgenössisch-dokumentarischen Blick in den Salon von „Mademoiselle“ gab an mehreren Tagen Bruno Monsaingeons gleichnamiger Film von 1977. Im Haus luden thematisch gestaltete Wände ein, sich in die Welt der Boulangers zu vertiefen.
Die preisgekrönte Mezzosopranistin Lucile Richardot und Pianistin Anne de Fornel gestalteten einen Liederabend mit Werken beider Schwestern. Am Samstag spielten das Boulanger Trio und das Quinteto Ángel Kammermusik von Schülern und Freunden Nadias vor jeweils ausverkauftem Saal und begeistertem Publikum.
Dass es Berlinerinnen und Berliner gibt, die einen großen Teil ihrer Freizeit dem gemeinsames Singen auf hohem Niveau widmen, hätte Lili Boulanger wohl gut verstanden. Vokalmusik lag ihr sehr am Herzen. Sie komponierte zahlreiche Stücke für Chor mit Klavierbegleitung – farbige tonmalerische Naturschilderungen als Sinnbild menschlichen Lebens. Davon kamen am Sonntag beim letzten Konzert der Hommage im Großen Saal eine Reihe zur Aufführung. Beim Chorfest Boulanger in Zusammenarbeit mit dem Chorverband Berlin waren der Kammerchor des Collegium Musicum Berlin, das Junge Consortium Berlin, der Junge Kammerchor Berlin und Ensemberlino Vocale zu Gast.