16.00 Uhr
Festveranstaltung Orden Pour le mérite für Wissenschaften und Künste
Unser Composer in Residence im Interview mit Tobias Rempe
Musik ist eine eigene Ausdruckswelt, eine eigene Sprache, in der wir viele Dinge sagen können, die in anderen Kunstformen oder im Alltag viel schwieriger zu artikulieren sind. Musizieren bringt uns zusammen. Es klingt einfach, wenn ich das sage, aber gerade heutzutage, mit all den Konflikten auf der Welt, fühlt sich das noch dringlicher an.
Die Vereinigten Staaten sind ein sehr komplizierter Ort. Es ist tragisch, wie sich die jüngsten Ereignisse dort entwickelt haben. In den USA treten wir gerade in eine sehr gefährliche Phase ein, die Europa meiner Meinung nach schon zu anderen Zeiten der Geschichte erlebt hat. Am schwersten ist es wahrscheinlich, mit anzusehen, wie derzeit das amerikanische Grundrecht auf Redefreiheit angegriffen wird. Als Künstler*innen ist es unsere Pflicht, die Wahrheit zu sagen. Die Politik greift jetzt den Platz der Kunst in der Kultur an. Das ist meiner Meinung nach äußerst gefährlich. Doch die Rolle von Kultur und Kreativität ist angesichts dieser Art von Bedrohung noch wichtiger geworden.
Ich bin mir der bereits existierenden Musik und der zahlreichen Beispiele unglaublicher Kreativität sehr bewusst – die Beethoven-Quartette zum Beispiel, oder die von Mozart oder Brahms. Sie sind absolute Höhepunkte menschlichen Ausdrucks. Wenn man heutzutage etwas als Komponist*in erschafft, steht man im Dialog mit der Vergangenheit, wirft aber zugleich ein Licht auf Gegenwart und Zukunft.
Alice hat mir geschrieben und sich ein Konzert gewünscht. Das war wunderbar, weil ich ihr Spiel kannte und ein Fan ihrer Arbeit bin. Sie ist eine äußerst aufgeschlossene Pianistin mit unglaublichen technischen Fähigkeiten und, was noch wichtiger ist, eine sehr tiefgründige Künstlerin. Sie hat mir nicht gesagt, was ich tun soll, sondern mir von Anfang an vertraut. Das Stück ist zu einer Art Porträt von Alice geworden. Ich habe mir die Qualitäten ihres Spiels vorgestellt, insbesondere ihre melodischen Fähigkeiten, und versucht, sie herauszufordern und zu inspirieren. Wenn sie spielt, ist es jedes Mal fast so, als würde sie eine Art Fenster in der Musik entdecken, das niemand sonst entdeckt hat. Ich hatte die egoistische Hoffnung, dass sie das auch bei meiner Musik tun würde. Und ich glaube, das hat sie.
Anastasia hat Musik für mein aktuelles Soloalbum aufgenommen, und es hat sich schnell eine musikalische Freundschaft entwickelt. Ich glaube, sie ist fast 20 Jahre jünger als ich, unglaublich neugierig, äußerst kreativ, spielt technisch auf höchstem Niveau – und ist ein großer Radiohead-Fan. Davon war ich überrascht und finde es großartig. Was das Cellokonzert betrifft: Nach mehreren Konzerten für verschiedene Instrumente wollte ich unbedingt etwas schreiben, was einer Tondichtung oder einer Cello-Sinfonie nahekommt – ein Stück, das eine poetische Reise unternimmt.
Eine neue Herausforderung, über die ich mich sehr freuen würde, wäre, im Theaterbereich mit klassischen Sänger*innen oder großartigen Dichter*innen zu arbeiten. Dass ich für eine Saison „Composer in Residence“ am Konzerthaus bin, ist ebenfalls neues Terrain für mich. Ich gehe bescheiden und offen an diese Form der Zusammenarbeit heran, die eine Chance für mich ist, etwas an diesen Ort zu bringen und vom Berliner Publikum zu lernen. Ich hoffe, Momente zu schaffen, die sowohl erfüllend als auch anregend sind und den Zuhörenden Frieden und ein Gefühl von Glück bringen.