Composer in Residence

Herzlich willkommen, Bryce Dessner

Ein von Bryce Dessner für sie geschriebenes Konzert, das viele Facetten ihres Könnens von virtuos bis lyrisch aufleuchten lässt, spielt unsere Artist in Residence Alice Sara Ott mit dem Konzerthausorchester unter Leitung von Joana Mallwitz zur Saisoneröffnung am 5. & 6. September. Der Porträtabend „Bryce Dessners Universum“ am 18. September dreht sich um den „Wald als Seelenort“ des in Südfrankreich lebenden US-Amerikaners.

In den Konzerten am 31. Dezember & 1. Januar steht sein außergewöhnlich anspruchsvolles Violinkonzert im Mittelpunkt. Der finnische Ausnahmegeiger Pekka Kuusisto, für den entstanden ist, wird es bei uns zum Jahreswechsel aufführen.

Beim „Evening of Songs & Lullabies“ am 25. März erklingen neben anderen ebenso Werke unseres Composers in Residence wie am 26. Mai, wenn das französische Quatuor Zaïde im Kleinen Saal für ein Streichquartettprogramm zu Gast ist.

Auch die Cello-Sinfonie „Trembling Earth“ hat Bryce Dessner speziell für eine Künstlerin geschrieben, nämlich die junge russische Cellistin Anastasia Kobekina. Sie wird das Konzert, das Dessner als „poetische Reise“ beschreibt, mit dem Konzerthausorchester unter Leitung von Iván Fischer am 19. & 21. Juni in deutscher Erstaufführung auf die Bühne bringen.

Bryce Dessner über...

  • sein Klavierkonzert

    Alice Sara Ott hat mir einfach geschrieben, ob ich ein Klavierkonzert für sie komponieren könne. Das war wunderbar, weil ich ihr Spiel kenne und ein Fan ihrer Arbeit bin. Sie ist eine sehr aufgeschlossene Pianistin mit unglaublichen technischen Fähigkeiten und – was noch wichtiger ist – eine sehr tiefgründige Künstlerin. Sie hat mir freie Hand gelassen und mir von Anfang an vertraut. Das Stück ist eine Art Porträt von ihr geworden. Ich habe mir ihre Qualitäten als Pianistin vorgestellt und versucht, Dinge zu finden, die sie herausfordern und inspirieren. Es ist also in erster Linie ein Konzert für Alice.

    Während der Arbeit am Klavierkonzert habe ich außerdem viel an meine ältere Schwester Jessica gedacht, eine Tänzerin und Choreographin, die meinen Bruder Erin und mich künstlerisch sehr geprägt hat, als wir zusammen aufgewachsen sind. In den letzten sieben Jahren hatte sie eine gesundheitliche Krise. Ich habe viel von ihrer tänzerischen Energie in das Stück einfließen lassen, so dass es ein echtes Gefühl von Bewegung vermittelt. Es steckt auch viel Freude darin, denn meine Schwester blickt immer voraus, um die Schönheit und einen größeren Sinn in den Dingen zu erkennen. Dieses Gefühl soll das Stück vermitteln.

  • sein Violinkonzert

    Als ich mein Violinkonzert schrieb, habe ich Anne Carsons „Anthropology of Water“ über den Jakobsweg gelesen. Sie lässt sich in ihren Werken oft von alten Formen inspirieren, die sie dann adaptiert. Ich habe über den Prozess des Komponierens nachgedacht und darüber, wieso wir uns so oft zu diesen alten Formen hingezogen fühlen. Warum schreiben wir Violinkonzerte, wenn es schon großartige, unerreichbare gibt? Eine Pilgerreise ist immer das Beschreiten eines Weges, den schon viele andere vor einem gegangen sind. Sie ermöglicht persönliche Entdeckungen, ist ein Gespräch mit der Vergangenheit und erlaubt auch, ein Licht auf die Zukunft zu werfen. Genau das hat mir die Komposition dieses Stücks gegeben.

    Pekka Kuusisto, für den es entstand, ist ein außergewöhnlicher finnischer Geiger, Dirigent und ein alter Freund von mir. Er studiert fast jedes Jahr ein neues Konzert ein und spielt viel Neue und elektronische Musik. Die Herausforderung bestand für mich darin, einen Raum zu finden, den er noch nicht betreten hat. Ich glaube, das ist mir gelungen: Ein Teil des Stücks steigt in stratosphärische Höhen, es gibt kompliziertes melodisches Material, und es enthält alle möglichen erweiterten Techniken, auch schwierige Ensemblepassagen. Der erste Satz ist wie ein Barockkonzert, der zweite hat fast etwas Opernhaftes. Es ist ein demokratisches Konzert, denn jeder Streicher hat ein Solo, was ganz Pekkas Vorstellungen entspricht: Warum ein Konzert wie aus dem 19. Jahrhundert schreiben, für einen einzigen „Helden“ als Solisten?

  • sein Streichquartett „Aheym“

    Das Streichquartett „Aheym“ [jiddisch für „nach Hause; heimwärts“], das am Konzerthaus das Quatuor Zaïde spielt, habe ich vor rund 15 Jahren fürs Kronos Quartet komponiert – zu einer Zeit, als meine Großmutter Sarah Dessner im Krankenhaus lag. Sie starb etwa sechs Monate später und wurde 96 Jahre alt. Ihre Muttersprache war Jiddisch. Sie wuchs in einer aschkenasischen Familie aus Polen und der Ukraine in einer Epoche auf, während der in Osteuropa die Oktoberrevolution geschah und in der es viel Gewalt gab. In den 1920er Jahren kam sie als Teenager nach New York City. Sie war eine sehr liebe Frau, die in den 1940er Jahren viele ihrer Verwandten verloren hat. Für sie habe ich das Stück geschrieben. Es wurde in Brooklyn uraufgeführt, wo sie ihren Lebensabend verbracht hat. Dann wurde es in Łódź gespielt, wo ihre Eltern herstammen. Die Musik wurde also buchstäblich nach Hause gebracht.

    Wir haben immer erzählt bekommen, wie beängstigend ihre Reise nach Amerika für ein junges Mädchen war. Unter anderem musste sie sich im Kofferraum von Autos verstecken – eine Fluchtgeschichte, die sehr aktuell ist angesichts der Krisen, die überall auf der Welt enormes menschliches Leid verursachen.

  • sein Cellokonzert

    Unter den Instrumenten war das Cello meine erste Liebe. Mit dem Cellokonzert für Anastasia Kobekina wollte ich etwas schreiben, das sich einer Tondichtung nähert – eine Cello-Sinfonie, ein Stück, das eine poetische Reise unternimmt. Es trägt den Titel „Trembling Earth“. Anastasia hat Musik für mein aktuelles Soloalbum aufgenommen, und es hat sich schnell eine musikalische Freundschaft entwickelt. Ich glaube, sie ist fast 20 Jahre jünger als ich, unglaublich neugierig, äußerst kreativ, spielt technisch auf höchstem Niveau – und ist ein großer Radiohead-Fan. Davon war ich überrascht und finde es großartig.

Clip: Bryce Dessner über seine Residency

Bryce Dessner und Tobias Rempe im Gespräch

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