Konzerthaus Kammerorchester

von Andreas Hitscher 15. Mai 2025

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Inhalt

Konzerthaus Kammerorchester

Sayako Kusaka Leitung

Programm


Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Notturno für Streichorchester H-Dur op. 40
 

Leoš Janáček (1854 – 1928)
Streichquartett Nr. 1 („Kreutzersonate“), für Streichorchester bearbeitet von Richard Tognetti
Adagio – Con moto
Con moto
Con moto – Vivace – Andante
Con moto – Adagio – Più mosso


PAUSE


Ludwig van Beethoven (1770 – 1827)
Streichquintett A-Dur nach der »Kreutzersonate« op. 47 (anonyme Bearbeitung von 1832 in einer Fassung für Streichorchester)
Adagio sostenuto – Presto
Andante con Variazioni
Presto

Andante religioso

Keins der Werke des heutigen Abends erklingt in seiner originalen Gestalt. Handelt es sich bei den beiden anderen Kompositionen um Kammerorchesterfassungen von fremder Hand, so ist die Historie bei Antonín Dvořáks einleitendem, knapp zehnminütigem Stück – obwohl vom tschechischen Meister selbst – besonders kompliziert: Ursprünglich fungierte es als „Andante religioso“ in Dvořáks abenteuerlich avantgardistischem, bald verworfenem und erst hundert Jahre später veröffentlichtem Vierten Streichquartett von 1870 als Ruhepol. Fünf Jahre darauf tauchte es dann als „Intermezzo“ in der Urfassung seines Streichquintetts op. 77 auf, verschwand beim Druck aber wieder. 1883 schließlich ließ Dvořák gleich zwei Versionen der hochromantischen Miniatur folgen: eine für Violine und Klavier und eine für Streichorchester.

Die öffentliche Uraufführung der letzteren spielte 1890 in Nizza das Privatorchester des russischen Bankiers und Eisenbahnunternehmers Paul von Derwies, der sich mit seinem vielen Geld als Kunstmäzen betätigte und unter anderem im schönen Frankreich auch einen eigenen Konzertsaal hatte bauen lassen.     

Rufe von Leben und Tod

Das Komponieren pflegte Paul von Derwies ebenfalls und brachte unter anderem Lieder von Puschkin und Lermontow zu Papier. Ein anderer russischer Dichter, Lew Tolstoi, begeisterte Dvořáks Landsmann Leoš Janáček ganz besonders.

Schon 1908 hatte sich Janáček von der Erzählung zu einem Klaviertrio anregen lassen, das allerdings für die Nachwelt nicht erhalten ist. Es war wohl in seiner persönlichen Situation begründet, dass er im Herbst 1923 bei der Komposition seines Ersten Streichquartetts auf Tolstois „Kreutzersonate“ und damit auch auf das musikalische Material seines Klaviertrios zurückkam. Im Sommer 1917 hatte er die Bekanntschaft Kamilla Stösslovas gemacht. Sie war damals eine temperamentvolle Schönheit von fünfundzwanzig, er immerhin schon dreiundsechzig Jahre alt. Über 600 Briefe legen Zeugnis ab von der mystischen Sehnsucht und dem erotischen Überschwang, mit denen Janáček diese Passion seiner letzten Lebensjahre erfüllte. (Inwieweit seine Empfindungen überhaupt erwidert wurden, ist fraglich; man darf auch nicht vergessen, dass Janáček und Kamilla Stösslova verheiratet waren – nur jeweils mit einem anderen Partner.)

In Tolstois „Kreutzersonate“ berichtet der Protagonist Posdnyschew, wie sich seine Angetraute und der Geiger Truchatschewskij beim gemeinsamen Spiel von Beethovens A-Dur-Sonate für Violine und Klavier op. 47 (vermeintlich) in ungebührlichem Maße näherkommen und wie er seine Frau schließlich aus Eifersucht ersticht. Anders als Tolstoi beziehungsweise dessen Geschöpf Posdnyschew („vor allem durch die Musik wird die überwiegende Mehrzahl der Ehebrüche in unserer Gesellschaft angebahnt“), schrieb Janáček, er hätte die „unglückliche, gequälte, geprügelte, erschlagene Frau vor Augen“ gehabt. Für Josef Suk, Geiger im Böhmischen Quartett, das die Uraufführung spielte, war die Musik ein „Protest gegen die despotische Haltung von Männern Frauen gegenüber“. Der Musikwissenschaftler Jaroslav Vogel wiederum „erblickte“ im „Eingangsthema des ersten Satzes „einen Ruf von Leben und Tod zugleich …, ein Motiv der in der Seele der Heldin aufsteigenden tragischen Sehnsucht.“ Vielleicht kann man aus dem zweiten Satz, besonders aus dem Trio, so etwas wie „Verführung“ heraushören und aus dem kanonischen, immer wieder unterbrochenen Beginn des dritten Satzes ein permanent bedrohtes „Liebesduett“. Vielleicht erzählt das Finale vor allem vom Schmerz über Tod und Tat. Doch wenn die vier, alle mit „con moto“ („mit Bewegung“) überschriebenen Sätze auch kaum „absolute Musik“ sind, hat Janáček für ein darüberhinausgehendes „Programm“ keinerlei Anhaltspunkte hinterlassen.

Bizarr und leidenschaftlich

Ludwig van Beethoven schrieb die bewusste A-Dur-Sonate – das Tolstoische „Verführungsvehikel“ mithin – größtenteils im Mai 1803. Anlass war ein Konzert, das er gemeinsam mit dem englischen Violinisten George Augustus Polgreen Bridgetower am 24. des Monats in Wien gab. Beethoven muss von den technischen Fähigkeiten seines Partners viel gehalten haben, denn das Werk ist hochvirtuos: „quasi come d’un concerto“ war auf dem Erstdruck zu lesen. Leidenschaftlichster Ausdruckswillen schert sich kaum um die musikalische Konvention; der Komponist bemühe sich „immer ganz anders zu seyn wie andre Leute“, hieß es in einer frühen Rezension, und das jagende Presto-Finale sei der „bizarreste Satze von allen.“ Dürfe man diese erregende Musik „von Rechts wegen“ überhaupt „im Salon inmitten dekolletierter Damen spielen, die hinterher Beifall klatschen, Gefrorenes essen und über die letzte Skandalgeschichte plaudern?“, fragte denn auch Tolstoi später in seiner Erzählung.

Für den Umstand, dass Beethoven die Sonate letztendlich nicht George Bridgetower widmete, sondern dem französischen Geiger Rodolphe Kreutzer, gibt es unterschiedliche Erklärungsversuche. Einer vermutet, Beethoven hätte ganz schnöde das Geschäft im Sinn gehabt und sich von Kreutzer (der die „unverschämt unverständliche Komposition“ allerdings ablehnte und nie spielte) Aufführungen in Paris erhofft. Ein anderer – vom englischen Dirigenten und Bridgetower-Vertrauten John Wade Thirlwall – besagt, es sei zum Zerwürfnis der beiden Uraufführungsinterpreten gekommen: wegen eines „Mädchens“ …

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Konzerthaus Kammerorchester

Das 2009 von Musikern des Konzerthauses gegründete Konzerthaus Kammerorchester besteht fast ausschließlich aus Mitgliedern des Konzerthausorchesters Berlin und kommt ohne Dirigenten aus. Der demokratisch organisierte Klangkörper hat einen festen Platz in der Konzertsaison des Hauses und tritt wiederholt auf internationalen Podien in Erscheinung. So führten mehrere Konzertreisen das Ensemble beispielsweise in die Türkei, nach Holland und nach Japan.

Mehrere CD-Einspielungen sind erschienen, darunter mit dem Geiger Daniel Hope aus der Reihe „Recomposed by Max Richter“ die „Vier Jahreszeiten“ nach Antonio Vivaldi, ausgezeichnet mit dem „Echo Klassik“ 2013. Das Repertoire konzentriert sich hauptsächlich auf Werke für Streichorchester, aber auch auf Bearbeitungen von großen Kammermusikwerken wie zum Beispiel Schuberts Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ in der Bearbeitung von Gustav Mahler. Auch sinfonische Werke mit kleinerer Bläserbesetzung oder Solokonzerte mit Solisten wie dem Cellisten Julian Steckel, dem Geiger Ning Feng oder dem Pianisten Matthias Kirschnereit gehören zum Programm.

www.konzerthaus-kammerorchester.de

Das Konzerthaus Kammerorchester spielt im heutigen Konzert in folgender Besetzung:

Teresa Kammerer Violine I
Avigail Bushakevitz Violine I
Hitoshi Ooka Violine I
Christiane Ulbrich Violine I

Johannes Jahnel Violine II
Cornelia Dill Violine II
Ulrike Töppen Violine II
Linda Fichtner Violine  II

Matthias Gallien Viola
Ayano Kamei Viola
Felix Korinth Viola

Andreas Timm Violoncello
Viola Bayer Violoncello

Igor Prokopets Kontrabass

Sayako Kusaka

Sayako Kusaka

Die Erste Konzertmeisterin des Konzerthausorchesters Berlin wurde in Ashiya (Japan) geboren, studierte in Tokio bei Takashi Shimizu, in den USA bei Eduard Schmieder sowie in Freiburg im Breisgau bei Rainer Kußmaul. Seit 2008 ist sie Mitglied im Konzerthausorchester. Sie ist Primaria im Konzerthaus Quartett und Künstlerische Leiterin des Konzerthaus Kammerorchesters.

Die Geigerin ist Gewinnerin und Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe (darunter Rodolfo-Lipizer-Violinwettbewerb, Paganini-Wettbewerb, Sibelius-Violinwettbewerb, Michelangelo Abbado International Violin Competition, Idemitsu Music Prize). Als Solistin und Kammermusikerin konzertiert sie in Europa, Japan und den USA. Seit 2013 ist Sayako Kusaka „Special Guest“-Konzertmeisterin des Yomiuri Nippon Symphony Orchestra in Tokio.

Sheku Kanneh-Mason

Auf dem Weg nach oben #19

Unser Artist in Residence, Cellist Sheku Kanneh-Mason, ist wieder da! Er nimmt sich Zeit für eine Fahrt in unserem unglaublich langsamen Aufzug Süd.

 

ALS SOLIST KENNST DU SEHR VIELE KONZERTHÄUSER UND IHRE AUSSTATTUNG – IST UNSER AUFZUG EIN WELTREKORDLER IN SACHEN LANGSAMKEIT?


Er ist sicherlich einer der langsamsten (lacht). In der Royal Academy of Music gab es einen ähnlichen, der ist inzwischen ersetzt. Er war sehr, sehr, sehr langsam, und ich hatte Unterricht in der obersten Etage. Einmal bin ich dort mit dem Klavierlehrer meiner Schwester stecken geblieben...

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