Kammermusikmatinee des Konzerthausorchesters

von Renske Steen 11. Mai 2025

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Inhalt

Kammermusik-Matinee des Konzerthausorchesters Berlin


Helge von Niswandt  Posaune
Roberto de la Guía Martínez  Posaune
Vladimir Vereš  Posaune
Saori Tomidokoro  Klavier und Orgel

 

Programm


Brian Lynn (*1954)
„Bachy Things“ für drei Posaunen"
Allegro
Larguetto
Allegretto
Chorale

 

Axel Jörgensen (1881 – 1947)
Romanze für Posaune und Klavier Op.21
 

Giovanni Martino Cesare (um 1590 – 1667)
Sonata „La Hieronyma“ für Posaune (Barockposaune) und Basso continuo (Orgel)
 

Daniel Schnyder (*1961)
Sonate für Bassposaune und Klavier, 1. Satz (Blues)
 

Folke Rabe (1935 – 2017)
„Basta“ für Posaune solo
 

Giovanni Battista Pergolesi (1710 – 1736)
Triosonate Nr. 4, für drei Posaunen bearbeitet von Ralph Sauer
Allegro
Adagio
Presto e staccato


PAUSE


Anton Bruckner (1824 – 1896)
Zwei Aequale für drei Posaunen
 

Steven Verhelst (*1981)
„Devil’s Waltz“ für zwei Posaunen
 

Frank Martin (1890 – 1974)
Ballade für Posaune und Klavier
 

Michael Davis (*1961)
„Slide and the Family Bone“ für zwei Posaunen


Claude Debussy (1862 – 1918)
Arabeske für Klavier Nr. 1 E-Dur
 

Daniel Schnyder
„CALIBAN – I Must Eat My Dinner" für drei Posaunen und Klavier (UA)
I Must Eat My Dinner
This Island Is Mine!
When I Waked, I Cried To Dream Again
A Thousand Twangling Instruments Will Hum About Mine Ears
What A Thrice-Double Ass Was I

Die Schwester mit den Spitznamen

Sie stammt aus nicht gänzlich geklärten Familienverhältnissen, stand schon immer im Schatten der vorlauten Schwester. Dabei ist diese weder älter noch irgendwie sonst wichtiger. Lauter eben. Und das zählt dann doch oft mehr. Von ihr wurde schon in der Bibel erzählt und seitdem hat sie sich nur wenig verändert. Einmal eine kleine Schönheitskorrektur im 19. Jahrhundert – das war’s. Sie ist so gut wie unverwüstlich, kleine Dellen oder Kratzer machen ihr nichts aus. Sie fühlt sich überall schnell zu Hause und ist ein gern gesehener Gast. Sie kann witzig und humorvoll sein, aber auch gehaltvoll und ernst. Im klassischen Orchester sitzt sie ziemlich weit hinten, meist seitlich. Von dort hat man einen guten Überblick. Aber sie tritt auch gern nach vorn, wenn man sie lässt.

Ihr Name erzählt von der komplexen Familiensituation. Auf Deutsch wird sie Posaune genannt. Das leitet sich vom altfranzösischen buisine ab, was wiederum aufs lateinische bucina zurückgeht. Das waren in der Antike die Naturhörner. Auf Französisch heißt sie dagegen trombone, so wie auch auf Englisch und Italienisch. Und das heißt eigentlich „große Trompete“. Martin Luther erzählte von ihr in seiner Übersetzung der Bibel als Salpinx, basierend auf dem altgriechischen σάλπιγξ, womit eher gerade Trompeten ohne Zug mit konischem Mundstück gemeint waren. Aus der Zeit Luthers stammen vermutlich auch die ersten Posaunenchöre, jene Blechbläserensembles, die in den Gottesdiensten die Liturgie musikalisch begleiteten. Zwischendurch trug sie mal den Namen sackbutt, knapp drei Jahrhunderte lang, während der Renaissance- und Barockzeit. Da hatte sie auf jeden Fall wieder einen Zug, denn diese Bezeichnung basiert auf den beiden mittelfranzösischen Wörtern sacquer und bouter: Drücken und ziehen. Heute nennt man dieses Instrument in Abgrenzung zur modernen Posaune meist Barockposaune.

Bis etwa zur Mitte des 17. Jahrhunderts war die Barockposaune fast immer dann dabei, wenn Musik spielte. Sie war gut zu intonieren, spielte also sehr sauber und konnte deswegen gut mit anderen Instrumenten und Sängern zusammenspielen. In der „Alta capella“ oder bei den „Stadtpfeifern“ der Renaissance wurden neben anderen damals gebräuchlichen Instrumenten wie Zinken, Schalmeien und Zugtrompeten auch Posaunen gespielt. Diese Ensembles traten bei gesellschaftlichen und manchmal auch kirchlichen Anlässen auf, jedoch weniger bei höfischen Veranstaltungen. Der europäische Adel bevorzugte Streichinstrumente.

Giovanni Martino Cesare allerdings war als Zinkspieler am Hof von Herzog Maximilian von Bayern angestellt, wo er seine bekannteste Sammlung „Musicali melodie“ komponierte, die 1621 veröffentlicht wurde. Dazu gehört auch die Sonate „La Hieronyma“ für Posaune und Basso continuo.

Und dann, kurz darauf, ab ca. 1635 geriet das Sackbutt aus nicht erklärlichen Gründen aus der Mode. Bach besetzte die Posaune in nur 15 seiner zahllosen Kantaten. Georg Friedrich Händel schrieb sie entgegen der Mode relativ häufig in die Partituren seiner Oratorien, Mozart dagegen vergab nur in wenigen Opern einen oder zwei Posaunenplätze. Deswegen kann es auf diesem Konzertprogramm von Pergolesis 4. Triosonate auch nur eine Bearbeitung durch Ralph Sauer geben, der über 30 Jahre Erster Posaunist des Los Angeles Philharmonic Orchestras war. Giovanni Battista Pergolesi selbst hatte für seine Komposition drei Blockflöten vorgesehen.

Initiator der bereits erwähnten Schönheitskorrektur, die im 19. Jahrhundert aus dem Sackbutt die heute gebräuchliche Posaune machte, war der Münchner Akustiker Karl Emil von Schafhäutl. Er hatte festgestellt, dass das Instrument mit der engen Mensur (Durchmesser des Rohrs) von nur zehn Millimetern und dem nur wenig aufgeschwungenen Schalltrichter sich immer schlechter im immer größer besetzten Orchester durchsetzen konnte. Was vorher dank des eher spitzen Klangs perfekt in halligen Kirchen funktionierte, war nun einfach zu leise und resonierte nicht ausreichend in den Konzertsälen, um gut wahrnehmbar zu sein. Instrumentenbauer machten sich gleich ans Werk und damit auch Komponisten wie Carl Maria von Weber, Richard Wagner und Gustav Mahler glücklich, die nun mit der neuen „deutschen“ Posaune endlich aus dem klanglichen Vollen schöpfen konnten.

Diese neuen bzw. angepassten Instrumente sah Anton Bruckner vermutlich auch für seine zwei „Aequale“ vor, die er im Januar 1847 für das Begräbnis seiner Tante komponierte – eher kurze, volkstümliche Choräle für Alt-, Tenor- und Bassposaune. 

In Dänemark dagegen war noch weit bis ins 20. Jahrhundert die Posaunenvariante mit Ventilen statt mit Zug bevorzugt vertreten. Posaunist Anton Hansen war einer der ersten, der die neue „deutsche“ Posaune spielte. Sein Kollege und Freund Axel Jørgensen komponierte für ihn die Romanze op. 21, die er 1916 in einer Version mit Orchester- statt Klavierbegleitung im Tivoli in Kopenhagen zur Uraufführung brachte.

Das mühelose chromatische Spiel und der schöne warme Ton brachten die Posaune in dieser Zeit auch in den Jazz. Die Werke von Brian Lynn, Daniel Schnyder, Michael Davis und Steven Verhelst stehen an diesem Konzertvormittag stellvertretend dafür. Aber auch in der modernen klassischen Musik spielt sie weiterhin eine große Rolle. Der Schweizer Komponist Frank Martin komponierte 1940 im Auftrag des Concours de Genève die „Ballade“ als Pflichtstück im Fach Posaune und setzte damit Maßstäbe für die folgenden Komponist*innengenerationen.

So ganz aus dem Schatten der vorlauten Schwester ist die Posaune bislang dennoch nicht herausgetreten. Aber vielleicht hat sie das gar nicht nötig, es kann ja auch wirklich schön im Schatten sein.

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Helge von Niswandt

Helge von Niswandt

wurde im baden-württembergischen Sindelfingen geboren. Er studierte in Trossingen bei Abbie Conant, in London bei Eric Crees und Simon Wills sowie bei Jonas Bylund in Hannover. 2001 trat der Solo-Posaunist ins Konzerthausorchester Berlin ein. Er spielt auch im Konzerthaus Kammerorchester und bei Konzerthaus Brass. Er war Stipendiat des Deutschen Musikwettbewerbs. Neben seiner Tätigkeit im Orchester ist Helge von Niswandt Mitglied im Ensemble Ambrassador. Nach langjähriger Lehrtätigkeit an der Musikhochschule Leizpig unterrichtet er seit 2016 an der Berliner Universität der Künste.

Roberto de la Guía Martínez

hat in Freiburg bei Fabrice Millischer studiert, war Stipendiat der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker, bis 2023 Solo-Posaunist im Sinfonieorchester Wuppertal und ist seitdem auf dieser Position Mitglied des Konzerthausorchesters Berlin. Er ist Preisträger einiger der renommiertesten Wettbewerbe für Posaune, darunter IPV International Trombone Competition, Michel Becquet International Trombone Competition, Aeolus Wettbewerb, Concorso Internazionale „Città di Porcia“ und ARD-Musikwettbewerb München. Neben seiner Orchestertätigkeit unterrichtet Roberto de la Guía weltweit als Dozent bei Meisterkursen und Posaunenfestivals. Er spielt außerdem bei Konzerthaus Brass Berlin.

Vladimir Vereš

Vladimir Veres

studierte in seiner Heimatstadt Belgrad bei Aleksandar Benčić sowie in Berlin an der Universität der Künste bei Andreas Klein und Stefan Schulz. Vor seinem Eintritt ins Konzerthausorchester 2020 war er Lead-Posaunist der Bigband des Serbischen Rundfunks und Stellvertretender Solo-Posaunist der Magdeburgischen Philharmonie. Er ist Mitglied von Konzerthaus Brass Berlin.

Saori Tomidokoro

geboren in Japan, studierte Klavier in Tokio, Kammermusik und Liedgestaltung in Trossingen und Korrepetition für Oper und Instrumente an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. 2004 gewann sie den internationalen Instrumentalwettbewerb in Markneukirchen und 2005 das Stipendium des Nachwuchsförderungsgesetzes des Landes Berlin. Als Korrepetitorin wurde sie an der Komischen Oper Berlin, an der Kammeroper Rheinsberg, am Staatstheater Kassel und an den Schwetzinger Musikfesttagen engagiert. Als eine gefragte Kammermusikpartnerin führten sie Konzerte durch Deutschland, nach Spanien, Japan, Griechenland, Dänemark, Frankreich und Malta. Seit 2011 hat sie einen Lehrauftrag an der UdK Berlin und der Hochschule für Musik Hanns Eisler und seit 2017 einen Honorarauftrag an der Barenboim-Said-Akademie.

Sheku Kanneh-Mason

Auf dem Weg nach oben #19

Unser Artist in Residence, Cellist Sheku Kanneh-Mason, ist wieder da! Er nimmt sich Zeit für eine Fahrt in unserem unglaublich langsamen Aufzug Süd.

 

ALS SOLIST KENNST DU SEHR VIELE KONZERTHÄUSER UND IHRE AUSSTATTUNG – IST UNSER AUFZUG EIN WELTREKORDLER IN SACHEN LANGSAMKEIT?


Er ist sicherlich einer der langsamsten (lacht). In der Royal Academy of Music gab es einen ähnlichen, der ist inzwischen ersetzt. Er war sehr, sehr, sehr langsam, und ich hatte Unterricht in der obersten Etage. Einmal bin ich dort mit dem Klavierlehrer meiner Schwester stecken geblieben...

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