15.00 Uhr
Expeditionskonzert mit Joana Mallwitz
Horenstein Ensemble
Martin Glück Flöte
Ralf Forster Klarinette
Ronith Mues Harfe
Johanna Pichlmeier Violine
Jana Krämer-Forster Violine
Matthias Benker Viola
Mischa meyer Violoncello
Aufgrund der Erkrankung von Andreas Timm übernimmt Mischa Meyer kurzfristig den Violoncello-Part im heutigen Konzert.
Programm
Gabriel Fauré
Impromptu für Harfe Des-Dur op. 86
Morceau de Concours für Flöte und Harfe (Klavier) F-Dur
Sicilienne für Flöte und Harfe g-Moll op. 78
Ralph Vaughan Williams (1872 – 1958)
„Six Studies in English Folk Song“ für Klarinette und Streichquartett
Adagio
Andante sostenuto
Larghetto
Lento
Andante tranquillo
Allegro vivace
Claude Debussy (1862 – 1918)
„Prélude à l’après-midi d’une faune“, für Kammerensemble (Septett) bearbeitet von Sylvain Blassel
PAUSE
Maurice Ravel (1875 – 1916)
Sonate für Violine und Violoncello
Très vif
Lent
Vif, avec entrain
George Butterworth (1885 – 1916)
„The Banks of Green Willow“ – Idyll für Orchester, für Kammerensemble bearbeitet von Felix Korinth
Maurice Ravel (1875 – 1916)
Introduction et Allegro für Flöte, Klarinette, Streichquartett und Harfe
Très lent – Allegro
Das umfangreiche und vielfältige Œuvre von Ralph Vaughan Williams gilt vielen als Inbegriff englischer Musik. Diese Zuschreibung verdankt sich nicht zuletzt einigen klanglichen Konstanten im Werk des 1872 geborenen Komponisten – etwa dem Einsatz von Tonfolgen, wie sie in der Renaissance üblich waren, oder der Verwendung spätromantischer Harmonik. Nach dem Studium in London und Cambridge und einem mehrmonatigen Aufenthalt bei Max Bruch in Berlin 1897 wandte sich Vaughan Williams einem Thema zu, das damals gleichsam in der Luft lag: dem Sammeln von Volksmusik. Niedergeschlagen haben sich diese Arbeiten unter anderem in den 1926 (ursprünglich für Cello und Klavier) komponierten „Six Studies in English Folksong“, die Vaughan Williams zufolge „keine exakten Transkriptionen bestimmter Volksmelodien“ sind, sondern „auf einer strophischen Melodie“ wurzeln.
Auch Claude Debussy, Jahrgang 1862, begann seine Ausbildung in der Hauptstadt seines Heimatlandes: Ab 1873 war er Schüler des Pariser Conservatoire. Vieles strömte auf den Hochbegabten ein. Zu seinen Inspirationsquellen gehörte unter anderem die symbolistische Lyrik Stéphane Mallarmés, darunter 110 Verse mit dem Titel „L’après-midi d’un faune“, die wahrscheinlich auf ein Gemälde von François Boucher („Pan und Syrinx“) in der Londoner National Gallery zurückgehen. Als 1891 im Pariser Théâtre d’Art eine Lesung dieses Gedichtes stattfinden sollte, wurde Debussy gebeten, eine Musik dazu zu schreiben. Er konzipierte auch eine Bühnenmusik, für die er jedoch bis 1894 einzig ein Vorspiel zu Papier brachte, das 10-minütige „Prélude à l’après-midi d’un faune“. Ein Meisterwerk, mit dessen Pariser Uraufführung am 22. Dezember 1894 eine neue Musikepoche begann.
Genauso wie sein Landsmann und Freund Ralph Vaughan Williams begeisterte sich auch George Butterworth, Jahrgang 1885, für die neue Volksmusikbewegung um die Jahrhundertwende. Eine Passion, die seine Werke, darunter auch „The Banks of Green Willow“, nachhaltig beeinflusst hat. Viel Zeit blieb ihm jedoch nicht dafür. Fünf Monate nach der Uraufführung des Orchester-Idylls begann Ende Juli 1914 der Erste Weltkrieg. Gerade einmal 31 Jahre jung, fiel Butterworth im August 1916 in der Schlacht an der Somme. „The Banks of Green Willow“ ist wahrscheinlich das meistgespielte seiner insgesamt vier vollendeten Orchesterwerke. In der heutigen Matinee erklingt das mit einem Solo der Klarinette anhebende Idyll in einer Bearbeitung für Kammerensemble von Felix Korinth, seit 2005 Bratscher im Konzerthaus-Orchester.
Maurice Ravel gehört zu den meistgespielten Komponisten des 20. Jahrhunderts; in seinem relativ schmalen Œuvre sind fast alle Gattungen vertreten, mit knapp zehn Beiträgen auch die Kammermusik. Der Auftrag zu Introduction et Allegro für Flöte, Klarinette, Harfe und Streichquartett, den Ravel 1905 von der Pariser Klavier- und Harfenmanufaktur Erard erhalten hat, scheint ihn jedoch in Bedrängnis gebracht zu haben. „Eine Woche Arbeit und drei schlaflose Nächte“, dann müsse das Stück fertig sein, „sei es zum Guten oder Schlechten“, schrieb er an einen Freund. Und brachte doch ein Werk zustande, das „in einzigartiger Weise“, so der Musikwissenschaftler Marius Flothuis, „melodischen Reichtum mit orgineller, freier Gestaltung verbindet“. Und das der im Hause Erard entwickelten Doppelpedalharfe einen grandiosen Auftritt bietet.
Das 2008 aus Musikern des Konzerthausorchesters Berlin gegründete Horenstein Ensemble zeigt die große Vielfalt der Kammermusik und das Zusammenspiel der verschiedenen Instrumentengattungen wie Streicher, Bläser und Harfe in spannungsvollen Konzertprogrammen auf. Unterschiedliche, zum Teil außergewöhnliche Besetzungen auch mit Gastmusikern sind kennzeichnend für den Charakter des Ensembles.
Das Repertoire ist nicht auf eine bestimmte Musikepoche begrenzt und umfasst Werke von Mozart und Spohr über Brahms, Ravel und Messiaen bis hin zu Widmann und Yun. Darüber hinaus widmet sich das Horenstein Ensemble der in Deutschland selten zu hörenden englischen Kammermusik, wie den Kompositionen von Vaughan Williams, Bax, Elgar, Somervell, Arnold, Butterworth und Britten.
Durch die enge Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Komponisten entstanden zahlreiche Auftragskompositionen für die besondere Besetzung des Ensembles: So wurde 2010 das Werk „Philaki" von Samir Odeh-Tamimi zum Mauerfallgedenken uraufgeführt und 2011 „Le Tombeau de Maurice Ravel" von Allain Gaussin, eine Hommage an den bedeutenden Vertreter des musikalischen Impressionismus. 2017 fand die Uraufführung von „Die Dichterliebe recomposed" von Christian Jost im Konzerthaus Berlin statt, es folgte 2018 „Poéme secret" von Robert Groslot. Die ungeteilte Verehrung für das Wirken des Dirigenten Jascha Horenstein, der eine starke künstlerische Bindung an Berlin hatte, gab dem Ensemble seinen Namen.
Nachdem das Ensemble 2011 sein Debütalbum „Tempelhof " bei dem Label ACOUSENCE records als CD und Vinyl-LP veröffentlichte, erschien 2015 die zweite Einspielung auf demselben Label. „Lost Generation" ist der Titel des Albums, auf dem das Horenstein Ensemble der Frage nachgeht, was jene Generation von Komponisten, die sehr jung im Ersten Weltkrieg gefallen ist, noch hätte erschaffen können. Exemplarisch hierfür stehen George Butterworth, Cecil Coles und Rudi Stephan, deren Kompositionen teilweise als Ersteinspielungen auf dieser CD abgebildet wurden.
2019 erschien bei dem Label „Deutsche Grammophon" die Aufnahme der „Dichterliebe" von Christian Jost mit dem Horenstein Ensemble auf CD, eine Neukomposition von Robert Schumanns Liederzyklus für Gesang und Kammerensemble. Die Vision, grenzüberschreitend und innovativ nach neuen Wegen zu suchen, sowohl musikalisch als auch bei der Vermittlung von Kunst und Musik, ist für das Horenstein Ensemble Antrieb und Anspruch zugleich.