20.00 Uhr
Erinys Quartet
Architekten des Klangs
Wie unterschiedlich eine Beethoven-Sinfonie in den Ohren der mitspielenden Mitglieder des Konzerthausorchesters Berlin und des Publikums klingt, ist in der aktuellen Folge von #reingehört zu erfahren. In einem Ausschnitt der 3Sat-Dokumentation „Architekten des Klangs“ spielt das Konzerthausorchester unter Juraj Valčuha eine Passage aus Beethovens „Eroica“, die aus unterschiedlichen Positionen zu hören ist.
Ein Saal soll idealerweise nicht nur für das Publikum gut klingen, sondern auch für die Musiker*innen. Was die an ihrem Platz auf der Bühne überhaupt hören, zeigt dieses Experiment. Dazu werden an ausgewählten Plätzen Kameras und Mikrofone direkt über den Köpfen von Orchestermitgliedern aufgebaut.
Hier zunächst der normale Klang einer ausgewogenen Stereomischung mit den Kameraperspektiven einer klassischen Konzertaufzeichnung.
Und so klingt es für den Dirigenten und die einzelnen Musiker an ihren Positionen im Orchester.
Dmitry Babanov
Michaela Kuntz
Ulrike Petersen
Die 3. Sinfonie, die „Eroica“, ist ein Meilenstein in Beethovens Schaffen, aber auch in der Geschichte der Sinfonie überhaupt. Die Hauptarbeit an der neuen Sinfonie fällt wohl in die Jahre 1803/04, wobei erste Gedanken bereits während der Arbeit an der 2. Sinfonie zur Papier gebracht sein dürften.
Die Sinfonie war auf Napoleon Bonaparte geschrieben worden, zu dessen Verehrern Beethoven einige Zeit gehörte. Doch führen musikalische Spuren zurück zu Beethovens Ballett „Die Geschöpfe des Prometheus“ aus dem Jahre 1801: Der kurz zuvor entstandene Kontretanz, den Beethoven im Finale des Balletts zu einer Menschheits-Apotheose formte, liegt auch dem Finale der „Eroica“ als Variationsthema zugrunde.
Was ist eigentlich das Hauptthema des 1. Satzes der „Eroica“? Nach zwei heftigen Akkordschlägen setzen 2. Violinen und Bratschen mit einer Begleitfigur aus repetierenden Achteln ein, und die Celli und Bässe präsentieren eine durchaus markante Dreiklangsgestalt, die indes nicht regelgemäß vollendet wird, sondern immer wieder in andere harmonische Bereiche abdriftet. Erst in der Coda – also etwa 15 Minuten später – erklingt das „Thema“ in einer gerundeten Gestalt, aber nach den heftigen Ausbrüchen im Zentrum des Satzes klingt diese „geordnete“ Version irgendwie etwas unspektakulär.
Der 1. Satz der „Eroica“ ist außerdem ein Musterbeispiel des durchbrochenen Satzes, der keinem Instrument, keiner Stimme allein die Themen überlässt, sondern Motive und thematischer Bestandteile durch das ganze Orchester wandern lässt. In der filmischen Umsetzung der Musik wird diese Eigenart der Partitur dem Betrachter sinnfällig vorgestellt.
Prinz Louis Ferdinand von Preußen war bei seinem Wien-Aufenthalt 1804 so begeistert von Beethovens neuer Sinfonie, dass er sie sich gleich ein zweites Mal vom Orchester hat vorspielen lassen (so weiß es zumindest die Überlieferung). Die Mehrheit des Uraufführungspublikums, das die Sinfonie, nachdem sie in mehreren Privataufführungen bereits im kleineren Kreise erklungen war, am 7.4.1805 über sich ergehen lassen musste, war froh, als das Werk endlich vorbei war. Der Grundtenor des gestressten Publikums nach den denkwürdigen ersten Aufführungen war stets: zu verworren, zu laut und – so immer wieder zu lesen – vor allem zu lang!
Die Irritationen der Zeitgenossen sind jedoch durchaus nachvollziehbar: Eine Sinfonie von ca. 50 Minuten Spieldauer hatte es vorher noch nicht gegeben (in seinen ersten beiden Sinfonien hatte Beethoven jeweils nur etwas weniger bzw. mehr als eine halbe Stunde für die vier Sätze benötigt …). Und auch in der Gestaltung des sinfonischen Kolosses mutete Beethoven den damaligen Zuhörern einiges zu: In seiner kompromisslosen Tonsprache einer konsequenten motivisch-thematischen Arbeit, deren Verdichtung zum Teil in wilde Dissonanzenfelder mündete, musste sich der Hörer erst einmal einleben. Den vollstimmigen Orchestersatz bezeichnete ein zeitgenössischer Rezensent dann auch schlicht als einen „Tumult der Instrumente“.
Die Beziehung der „Eroica“ zum Franzosenkaiser Napoleon Bonaparte sollte nicht überbewertet werden. Zwar hatte Beethoven eine Widmung dieses zudem sehr repräsentativen Werks an Napoleon erwogen – dies aber wohl vor allem aus pragmatischen Gründen, denn er spielte zu dieser Zeit ernsthaft mit dem Gedanken einer Übersiedlung nach Paris und hoffte, sich mit einer solchen Widmung einen gewissen Vorteil verschaffen zu können. Dann jedoch verkaufte Beethoven die Widmung und ein zeitweiliges alleiniges Nutzungsrecht der Sinfonie an den Fürsten Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz, einen seiner wichtigsten Förderer und Mäzene, und aus der Widmung wurde ein „geschrieben auf Napoleon“: „Intitulata Napoleon“ benannte es die von Beethoven korrigierte und autorisierte Partiturabschrift, bevor der Komponist mit einem dicken Radiergummi die Spuren dieser Erinnerung zu tilgen versuchte.
Text: Dr. Dietmar Hiller | Ausschnitt der 3Sat-Dokumentation „Architekten des Klangs“
6. Sinfonie „Pathétique“ h-Moll op. 74
Stabat mater op. 58
„La Valse“
„Eroica“