Von Haydn bis Dessner

von Konzerthaus Berlin 5. Juni 2025

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Joana Mallwitz © Simon Pauly

Chefdirigentin Joana Mallwitz im Interview über die neue Saison

Unsere neue Artist in Residence ist die Pianistin Alice Sara Ott. Beschreiben Sie uns bitte Ihre künstlerische Verbindung und was Sie in der nächsten Saison gemeinsam vorhaben.

Alice kenne ich schon sehr lange. Als Kinder haben wir sogar beim selben Lehrer studiert, und ich freue mich sehr auf unsere gemeinsame Zeit hier am Konzerthaus Berlin. Sie ist eine absolute Virtuosin. Mich hat immer besonders beeindruckt, mit wieviel Sorgfalt und großem erzählerischen Bogen sie ihre Programme gestaltet. Da fühle ich mich ihr sehr verbunden. Wir haben zusammen zwei sehr unterschiedliche Konzertwochen geplant. Mit Beethovens 3. Klavierkonzert spielt Alice einen der „Meilensteine“ der Klavierliteratur, mit dem wir auf Tournee gehen. Außerdem eröffnen wir mit Bryce Dessners für sie geschriebenem Klavierkonzert gemeinsam die neue Saison. Für mich ist es eine riesige Freude, die Spielzeit mit diesen beiden Residenzkünstlern einzuleiten. In den folgenden Monaten wird Alice sich mit unterschiedlichen Projekten am Konzerthaus präsentieren, wodurch man viele Facetten ihrer großen künstlerischen Bandbreite kennenlernen kann.

Wir haben kommende Spielzeit mit Bryce Dessner einen Composer in Residence. Was schätzen Sie an seinen Werken?

Die Musik von Bryce Dessner hat eine Unmittelbarkeit und Körperlichkeit, die ich sehr bemerkenswert finde. Sie ist höchst komplex und spieltechnisch herausfordernd, bleibt dabei aber nicht abstrakt, sondern ist immer eine mitreißende, plastische Erfahrung. Durch dieses Abarbeiten an der Musik und dem musikalischen Material katalysiert er eine Energie, die ich so nur von Beethoven kenne. Diese Art von Energie überträgt sich nicht nur sofort aufs Publikum, sondern auch auf uns Musiker. Es macht einfach irre Spaß, seine Musik zu spielen.

"Für mich ist es eine riesige Freude, die Spielzeit mit diesen beiden Residenzkünstlern einzuleiten."

Mit unserer Solo-Kontrabassistin Maria Krykov steht Missy Mazzolis „Dark with Excessive Bright“ für Kontrabass und Streichorchester neben Haydn und Wagner auf dem Programm. Wie ist es zu dieser Programmkombination gekommen?

Es ist ein Programm mit unterschiedlichen Klangsprachen von verschiedenen Komponisten, die aber ein Grundprinzip der Musik vereint, das sogenannte chiaroscuro, die Frage von Licht und Dunkel. Das ist ein Prinzip, das in der Klassik schon in Kontrasten auf kleinstem Raum Teil des Stils war, so hören wir es zum Beispiel in der Sinfonie Nr. 102 von Joseph Haydn. In Wagners Lohengrin-Ouvertüre wird dieses Verfahren nun viel großflächiger ausgebreitet und schließlich erleben wir es dann bei Missy Mazzoli als zentrales Thema des Stückes selbst. Dafür nutzt sie als Soloinstrument den Kontrabass, der im Sinfoniekonzert immer noch eine echte Seltenheit ist. In diesem Stück bietet er mit kräftigen und dunklen Farben bis zu gehauchten Flageoletts ein extremes Ausdrucksspektrum. Es ist natürlich wunderbar und ich freue mich riesig, mit unserer Solo-Kontrabassistin Maria Krykov zu arbeiten! Es ist immer eine besondere Energie, wenn eine unserer fantastischen Orchestermusikerinnen nach vorne tritt und von allen Kollegen und Kolleginnen begleitet wird. 

Mit Bryce Dessners Violinkonzert haben wir zum Jahreswechsel den außergewöhnlichen finnischen Geiger Pekka Kuusisto zu Gast. Wie haben Sie sich kennengelernt?

Tatsächlich habe ich Pekka genau mit diesem Violinkonzert von Bryce Dessner kennengelernt, das wir jetzt auch am Konzerthaus zusammen aufführen. Dieses Konzert wurde ihm persönlich auf den Leib geschrieben. Er hat es bereits überall auf der Welt aufgeführt, weiterentwickelt und es sich wirklich zu eigen gemacht. Pekka ist der personifizierte Protagonist dieses Stücks. Ein wichtiger Bestandteil des Werks ist die Kadenz. Er improvisiert sie immer neu, und in jeder unserer bisherigen Aufführungen hat er mich damit umgehauen. Allein in der Kadenz erlebt man sein einzigartiges Können, indem er die Grenzen des Geigenspiels zu überwinden scheint. Das gilt sowohl technisch wie auch durch Hinzunahme zusätzlicher Ausdrucksmittel, wenn er zum Beispiel seine Geige wie eine Gitarre oder wie ein Schlaginstrument spielt oder sogar seine eigene Stimme mit Singen oder Pfeifen einsetzt. 

Außerdem ist mit Tabea Zimmermann eine der großen Bratscherinnen unserer Zeit zu Gast. Was war die Idee hinter dem Konzert mit ihr?

Ein leitender Gedanke dieser Saison war, dass wir uns dem Thema Schöpfung mehrmals in der Spielzeit widmen, also nicht nur der Schöpfung von Haydn, sondern auch dem Prozess des Schöpfens und auch ganz explizit des künstlerischen Schaffens. Im Konzert mit Tabea widmen wir uns nun Werken, die alle nicht vollendet wurden. Sowohl Bartóks Violakonzert als auch Kurtágs „Movement“ wurden nicht von den beiden Komponisten selbst fertiggestellt. Dazu spielen wir zwei der bekanntesten unvollendeten Werke überhaupt, Schuberts „Unvollendete“ und eine Orchestersuite aus der Oper „Turandot“ von Giacomo Puccini, dem großen Fragment der Operngeschichte. Ich freue mich sehr auf dieses Konzert und dass wir die große Künstlerin Tabea Zimmermann gleich mit zwei wichtigen Werken erleben können. 

Joana Mallwitz
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