20.00 Uhr
Erinys Quartet
Jerusalem Quartet
Alexander Pavlovsky Violine
Sergei Bresler Violine
Ori Kam Viola
Kyril Zlotnikov Violoncello
Joseph Haydn (1732 – 1809)
Streichquartett B-Dur op. 50 Nr. 1 Hob III:44
Allegro
Adagio non lento
Poco allegretto
Finale. Vivace
Wolfgang Amadeus Mozart (1756 – 1791)
Streichquartett C-Dur KV 465 („Dissonanzen-Quartett“)
Adagio - Allegro
Andante cantabile
Menuetto. Allegro
Allegro
PAUSE
Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Streichquartett Nr. 13 G-Dur op. 106
Allegro moderato
Adagio ma non troppo
Molto vivace
Finale. Andante sostenuto – Allegro con fuoco
… für die Kunst, als Leonardo da Vinci und Michelangelo um die Wette malten, Goethe und Schiller um die Wette dichteten und … Haydn und Mozart um die Wette komponierten!
1781 hatte Haydn seine sechs Streichquartette op. 33 nach eigenen Worten „auf eine ganz neu besondere Art“ geschrieben – gewissermaßen Musterexemplare dieser zentralen Gattung der Klassik. Sie nun weckten bei Mozart nicht nur Bewunderung, sondern reizten ihn auch zur Erwiderung. Seine Antworten, die Quartette KV 387, 421, 428, 458, 464 und 465, widmete Mozart 1785 keinem anderen als dem väterlichen Freund (weshalb man sie auch „Haydn-Quartette“ nennt). Haydn war angetan, fühlte sich in seinem ureigensten Metier aber auch herausgefordert und gab mit den zwischen Februar und November 1787 aufs Papier gebrachten sechs „Preußischen Quartetten“ op. 50 eine neuerliche Antwort. (Dass dann auch Mozart 1789/90 „Preußische Quartette“ komponierte, wollen wir nicht unerwähnt lassen …)
Joseph Haydn: Streichquartett B-Dur op. 50
Gern genannte Merkmale von Haydns Opus 50 sind unter anderem gewachsene Dimensionen, eine insgesamt ernstere Gestimmtheit, gesteigerte Chromatik und eine bewundernswerte Ökonomie der Mittel. Für das letztgenannte Charakteristikum gibt das Allegro des heute eröffnenden Quartetts ein Paradebeispiel, denn Haydn fügt es aus nur drei einfachsten Motiven: einer Tonwiederholung im Cello, einem kleinen Motiv in den Geigen (kaum mehr als eine ausgeschriebene Verzierung) und einer in Triolen (zunächst) absteigenden Tonleiter. Ökonomisch geht es auch im Adagio zu. Zwar singt Haydn nun eine „richtige“ Melodie – aber erneut setzt er auf Wiederholung; für die feinsinnigen Nuancen, etwa im tänzerisch bewegten Moll, sorgen die Begleitstimmen. Kontrapunktische Verwicklungen, die er schon im Trio des Menuetts angedeutet hatte, führt Haydn ganz besonders im Finale vor – hier wie dort geht die Kunstfertigkeit aber nicht zu Lasten von Spielfreude und Humor. Apropos: Zumindest gegen Ende des B-Dur-Werks saß seinem Schöpfer der Schalk im Nacken: Klatschen Sie nicht zu früh!
Wolfgang Amadeus Mozart: Streichquartett C-Dur („Dissonanzen-Quartett“)
Mozart hat seinem C-Dur-Quartett KV 465 – zu den oben erwähnten „Haydn-Quartetten“ gehörig – eine ausgedehnte langsame Moll-Einleitung vorangestellt. Den ungewohnten klanglichen Reibungen, die sich hier aus dem Stimmenverlauf ergeben, verdankt das Werk seinen Beinamen „Dissonanzen-Quartett“. Der italienische Komponist und Mozart-Zeitgenosse Giuseppe Sarti warf sogar die Frage auf, ob es der „Verfasser vielleicht gethan“ habe, „um den Spieler mit Schande zu bedecken“; ein Wiener Kritiker schlug in dieselbe Kerbe: „zu stark gewürzt – und welcher Gaumen kann das lange aushalten“. Haydn hingegen goutierte es …
Wenn nach den Einleitungstakten der Allegro-Teil beginnt, meint man zunächst, der Himmel hätte aufgeblaut. Doch halten weiterhin schroffe Akzente und – auch hier – dissonante Akkorde die dramatische Spannung aufrecht. Ebenso erfahren das Menuett und das Finale immer wieder heftige „Störungen“ und chromatische Anreicherungen. Den langsamen Satz kann man mit der gern verwendeten Charakterisierung „tief empfunden“ versehen – man könnte ihn auch „melancholisch“ nennen. Mozart hätte „den Einklang der Schöpfung gehört“, meinte der Schweizer Theologe Karl Barth, „zu der auch das Dunkel gehört, im welchem aber auch das Dunkel keine Finsternis ist …, auch das Düstere, das doch nicht zur Tragik entartet, die unendliche Wehmut …“
Antonín Dvořák: Streichquartett Nr. 13 G-Dur op. 106
Als Dvořáks populärstes Quartett gilt sicher das „Amerikanische“; die letzten beiden mit den Opuszahlen 105 und 106 werden hingegen gerne als „Höhepunkte“ bezeichnet, wenn dabei auch oft der Hinweis nicht fehlt, sie würden sich eher an Kenner richten. Beide Quartette sind nicht zuletzt Dokumente seiner Heimkehr. Im September 1892 hatte er die Direktorenstelle am New Yorker Nationalkonservatorium angetreten. Doch trotz aller Erfolge in Übersee war Dvořák erleichtert, als er im April 1895 New York verließ und bald darauf wieder heimatlichen Boden unter den Füßen hatte: „Seit ich aus Amerika gekommen bin, habe ich die Feder nicht angerührt … Hier in Vysoká ist mir leid um die Zeit und ich genieße lieber Gottes Natur!”, hieß es in einem Brief vom 30. Juli. Als er dann wieder Lust zum Arbeiten verspürte, ließ Dvořák das begonnene As-Dur-Quartett op. 105 liegen und brachte im November und Dezember zunächst das Geschwisterkind aufs Papier: „Ich arbeite so leicht, und es gelingt mir so wohl, dass ich es mir gar nicht besser wünschen könnte. Ich habe soeben mein neues Quartett G-Dur beendet …“ (23. Dezember 1895). Musikologen preisen das Werk als Gipfelleistung, weil hier zu der „selbstverständlichen Inspiration“ hörbar das „artifizielle Niveau der Verarbeitung“ tritt. Doch bei aller Aufmerksamkeit für den harmonischen Reichtum (unter anderem in der Durchführung des ersten Satzes), für die variativen und teils kontrapunktischen Verfahren im Adagio, für das volksliedartige Singen und Tanzen in den beiden Trios des Scherzos oder für das thematische Verklammern (beispielsweise für das Zitieren des Kopfsatzes im stürmisch endenden Finale), ist es auch hier vor allem typischer Dvořák: Melodien, die direkt aus dem Herzen zu kommen scheinen, eine unerschöpfliche Erfindungsgabe, ein national gefärbtes Erzmusikantentum …
Die israelischen Musiker haben seit der Gründung des Ensembles im Jahr 1996 einen Reifeprozess durchlaufen, der ihnen heute erlaubt, auf ein breites Repertoire und eine entsprechende klangliche Tiefe zurückzugreifen, ohne dabei auf ihre Energie und ihre Neugier auf Unbekanntes zu verzichten. Sein warmer, voller, beinahe menschlicher Klang und die Ausgewogenheit zwischen hohen und tiefen Stimmen erlaubt es dem Ensemble, die Feinheiten im klassischen Repertoire herauszuarbeiten und sich gleichermaßen gefestigt wie offen neuen Gattungen und Epochen zu widmen – und immer weiter nach klanglicher Perfektion zu streben. Das Jerusalem Quartet ist ein regelmäßiger und beliebter Gast auf den großen Konzertbühnen dieser Welt. Zu den Highlights der vergangenen Spielzeit gehören ein Beethoven-Quartett-Zyklus in der Wigmore Hall in London, ein Bartok-Zyklus bei den Salzburger Festspielen, das dritte jährliche Streichquartettseminar in Crans Montana in der Schweiz und seit 2022 eine Residency an der Jerusalem Academy of Music.
Seit 2005 hat das Jerusalem Quartet 16 Alben bei harmonia mundi veröffentlicht, die mit zahlreichen Preisen wie dem Diapason d'Or oder dem BBC Music Magazine Award für Kammermusik ausgezeichnet wurden. Zu den neuesten Aufnahmen gehören ein Album, das die jiddische Musik in Mitteleuropa zwischen den Weltkriegen beleuchtet (u. a. mit einer Auswahl jiddischer Kabarett-Lieder aus dem Warschau der 1920er Jahre mit der israelischen Sopranistin Hila Baggio) und das zweite (und damit letzte) Album der Gesamteinspielung seines Bartók-Zyklus‘.
Höhepunkte der Saison 2023/24 waren Touren durch Schweden, Großbritannien, Deutschland und die Schweiz sowie Konzerte bei den Biennalen in Paris, Amsterdam und Lissabon. Neben den regulären Quartettprogrammen brachte das Jerusalem Quartet das „Yiddish Cabaret“ zurück auf die Bühne, spielte einen Bartók-Zyklus in der Elbphilharmonie in Hamburg und tourte im Oktober 2023 sowie im April 2024 durch Nordamerika. Im Juni 2024 reiste das Ensemble nach China, Korea und Japan und trat in wichtigen Sälen wie der Suntory Hall in Tokio oder dem Seoul Arts Center auf.