Intuition, Vertrauen & ein unwiderstehlicher Sog

von Annette Zerpner 4. Juni 2023

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Für Christoph Eschenbach ist Johannes Brahms ein „Meister der emotionalen Seite der Sinfonik“, dessen Werk ihm besonders nah ist.

Vier Stimmführer*innen blicken am Ende seiner Zeit als Chefidirigent zurück auf das gemeinsame Brahms-Projekt und erzählen, warum sie sich auf weitere Zusammenarbeit besonders freuen.

Suyoen Kim

„Ich lerne unglaublich viel in den Proben mit ihm.“

Suyoen Kim (1. Konzertmeisterin)

Christoph Eschenbach hat seine lange Erfahrung und eine große Ruhe mit in unsere gemeinsamen Brahms-Proben gebracht. Das und sein enormes Vertrauen in uns, dass wir die Musik fühlen, zeichnen ihn aus. Er gibt uns dafür Zeit, ohne zu Beginn viel zu kommentieren. Unsere Ohren öffnen sich, und wir ordnen uns ganz natürlich ein. Wenn uns jemand so vertraut und uns so viel Freiraum lässt wie er, haben wir als Orchester eine große Verantwortung. Als Konzertmeisterin muss ich bei ihm ganz besonders feinfühlig und aufmerksam sein, um seine Signale zu erspüren. Was er während der Durchläufe verändern möchte, ist sehr subtil. Man darf nicht warten, sondern muss ganz wach sein, um gut zusammen zu musizieren. Er merkt sehr genau, wenn konkretere Anweisungen notwendig sind. Ich lerne unglaublich viel in den Proben mit ihm.

Ralf Forster

„…ein Sog, dem man nicht entkommt.“

Prof. Ralf Forster (Solo-Klarinette)

Die Klarinette ist ja glücklicherweise von Brahms sehr gut bedacht worden – in der ersten, besonders in der dritten, aber auch im langsamen Satz der vierten Sinfonie. Durch die entsprechenden Stellen war ich während der Brahms-Aufnahmen oft direkter Ansprechpartner von Christoph Eschenbach und habe gemerkt: Er krempelt Dich nie um, fordert aber immer wieder schöne Feinheiten. Und wenn Du ihm bestimmte Nuancen anbietest – ein kleines Echo an bestimmter Stelle zum Beispiel – nimmt er sie beglückt in sein Konzept auf, ohne etwas davon umzuwerfen. Es ist ein Geben und Nehmen auf die angenehmste Weise, aber zufällig ist es nie. In der Freiheit, die er uns lässt, entfaltet sich etwas unglaublich Zwingendes, ein Sog, dem man nicht entkommt.

Christoph Eschenbach hat Brahms extrem gut durchdacht und trotzdem eine sehr intuitive Verbindung zu ihm, sozusagen „über den Bauch“. Ich habe unsere Aufnahmen aller vier Sinfonien im Vorfeld der Veröffentlichung oft gehört und bin wirklich glücklich darüber, wie stimmig und rund sie geworden sind.

Michaela Kuntz

„Jetzt sind wir sein Instrument.“

Michaela Kuntz (Solo-Oboe)

Christoph Eschenbach ist Garant für einen ganz runden, dunklen, umarmenden Brahms-Klang. Darauf freue ich mich jedes Mal, wenn wir gemeinsam Brahms spielen. Unser Chefdirigent steht damit in einer deutschen Tradition, die mir sehr gut gefällt. Er probt in der Klangformung ganz genau und lässt nicht nach, bis er exakt das Ergebnis hat, was er sich vorstellt. So hat er wohl auch gearbeitet, wenn er sich früher als Pianist ein Werk erschlossen hat. Jetzt sind wir sein Instrument.

Christoph Eschenbach ist kein Dirigent, der in Bildern spricht oder viel erklärt. Daran muss man sich gewöhnen, denn wir Musiker wollen ja meistens Gründe wissen, wieso etwas wiederholt wird. Er führt uns schrittweise an seine Vorstellung heran, ist dabei enorm hartnäckig und gibt nie auf. Selbst wenn wir im Laufe dieses Prozesses manchmal Ungeduld verspüren – wir wissen, ihm geht es immer nur um die Musik. Das zeichnet ihn ebenso aus wie sein Grundvertrauen in uns. Im Konzert gibt er dann ab und lässt uns Bläser unsere Soli ganz frei spielen. Die Arbeit mit ihm verläuft immer im Guten, Harmonie ist ihm wichtig – auch das zeichnet ihn aus.

„Er holt Farben heraus, die wir sonst nicht haben.“

Friedemann Ludwig (Solo-Violoncello)

Christoph Eschenbach interessiert sich überhaupt nicht für oberflächlich Beeindruckendes – durch Schnelligkeit, Lautstärke oder andere „sportliche“ Leistungen. Seine Domäne sind die Poesie, die Dramatik, die musikalischen Inhalte. Christoph Eschenbachs Brahms-Interpretationen, die er mit großen Orchestern überall auf der Welt aufgenommen hat, sind ganz unterschiedlich – aber seine Intuition spricht aus allen. Und seine Seelenlage, die ja wie bei jedem Menschen immer im Wandel ist.

Er verfolgt keine akademische Konzeption – wer ihm zuhört, soll etwas mit ihm empfinden. Alles andere ist Nebensache. Er ist unglaublich sensibel. Bei den Brahms-Sinfonien, die wir ja bereits so gut kennen, können wir erfühlen, was er möchte. Ich orientiere mich oft an seinem Blick, seiner Körperhaltung und seinem Atem. Er überlegt lange, bevor er uns etwas sagt. Und er sagt nie zuviel. Das finde ich wunderbar. Am Ende holt er Farben aus dem Orchester heraus, die wir sonst nicht haben – das hört man bei unserem gemeinsamen Brahms.

CD: konzerthaus.de/de/shop-cd-und-dvd

Fotos: Marco Borggreve (Christoph Eschenbach); Tobias Kruse / Ostkreuz (KHO-Porträts)

Christoph Eschenbach mit Brahms' 1. Sinfonie

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Christoph Eschenbach mit Brahms' 3. Sinfonie

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