20.00 Uhr
Erinys Quartet
Konzerthaus Kammerorchester
Sayako Kusaka Leitung und Violine
Teresa Kammerer Violine I
Melanie Richter Violine I
Christiane Ulbrich Violine I
Johannes Jahnel Violine II
Karoline Bestehorn Violine II
Ulrike Töppen Violine II
Linda Fichtner Violine II
Matthias Gallien Viola
Ayano Kamei Viola
Felix Korinth Viola
Pei-Yi Wu Viola
Andreas Timm Violoncello
David Drost Violoncello
Hyejin Kim Violoncello
Maria Krykov Kontrabass
Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 – 1847)
Sinfoniesatz für Streichorchester c-Moll MWV N 14
Grave – Allegro molto
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
„Die Kunst der Fuge“ BWV 1080 (Auszüge)
Prolog: Choralsatz „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ aus der Kantate BWV 38
Contrapunctus I
Contrapunctus IV
Canon alla Ottava (Cembalo)
Contrapunctus V
Contrapunctus VII
Contrapunctus IX
Contrapunctus XI
PAUSE
Johann Sebastian Bach (1685 – 1750)
„Die Kunst der Fuge“ BWV 1080 (Fortsetzung)
Canon per Augmentationem in contrario motu (Orgel)
Contrapunctus XVIII (unvollendet)
Konzert für Violine, Streicher und Basso continuo d-Moll BWV 1052 R
Allegro
Adagio
Allegro
Felix Mendelssohn Bartholdy: Sinfoniesatz für Streichorchester c-Moll
Bach und Mendelssohn – diese zwei Komponisten können durchaus in einem Atemzug genannt werden. Wuchs doch Mendelssohn in einer Familie auf, die das Werk des großen Thomaskantors lebendig hielt; eine besondere Rolle spielte dabei die Großmutter väterlicherseits als hervorragende Bach-Kennerin. In seinem von finanziellem Wohlstand, bürgerlichen Idealen, familiärer Traditionspflege und Bildungsstreben geprägten Elternhaus erhielt Felix Mendelssohn eine umfassende Ausbildung. Ab 1819 war Carl Friedrich Zelter, Duzfreund Goethes und Leiter der Berliner Singakademie, sein Kompositionslehrer. Regelmäßig widmete sich der Chor, so Zelter, auch „borstigen Stücken“ Johann Sebastian Bachs – oft am Klavier begleitet von seinem begabten Schüler.
Diese Studien haben sich unter anderem in den 12 Streichersinfonien niedergeschlagen, die er zwischen seinem 12. und 14. Lebensjahr komponierte und die ab 1822 bei „Sonntagsmusiken“ im Berliner Elternhaus aufgeführt wurden: zunächst in der Spandauer Vorstadt, im Haus Neue Promenade 7, und ab 1825 im Reck'schen Palais an der Leipziger Straße, dort, wo heute der Bundesrat residiert. Kurz bevor sich Mendelssohn dann der Sinfonie für großes Orchester zuwandte, ergänzte er diese Reihe noch um einen „Sinfoniesatz für Streichorchester in c-Moll“. Klassische Strenge verbindet sich hier mit seinem ganz eigenen hellen, lebensvollen und vorwärtsdrängenden Ton. Auf die langsame Einleitung mit punktiertem Rhythmus im Stil einer französischen Ouvertüre folgt ein schneller Teil. Hier wandert ein zunächst von Geigen und Bratschen vorgetragenes viertaktiges Motiv durch alle Stimmen – als „Kunst der Fuge“ eines jugendlichen Genies.
Johann Sebastian Bach: Violinkonzert d-Moll
„Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben.“ Diese alttestamentarische Empfehlung hat Johann Sebastian Bach nicht nur in seiner Kantate BWV 106 „Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit“ vertont, sondern auch selbst beherzigt. War er doch in den letzten 20 Jahren seines Lebens bemüht, seine Musik zusammenzutragen und zu veröffentlichen. 1738 entstand die Partitur eines Konvoluts, zu dem sieben Cembalokonzerte (BWV 1052-1058) sowie ein Fragment zu einem weiteren Konzert (BWV 1059) gehören. Bei der Nummer 1 in d-Moll handelt es sich um die Bearbeitung eines Violinkonzerts, das Bach während seiner Zeit als Hofkapellmeister des Fürsten von Anhalt-Köthen (1717-23) komponiert hatte und das leider verschollen ist. Am heutigen Abend erklingt dieses d-Moll-Werk in seiner ursprünglichen Besetzung, also rekonstruiert. Das „R“ hinter der Werkangabe BWV 1052 in der Programmfolge weist darauf hin.
Kennengelernt hatte der geniale Cembalist, Organist und versierte Geiger Bach die Gattung Konzert bereits in Weimar. Hier war er ab 1714 Konzertmeister der Hofkapelle, zu deren Repertoire unter anderem Werke von Arcangelo Corelli, Giuseppe Torelli und Antonio Vivaldi gehörten; an ihnen konnte Bach die unendlichen Möglichkeiten eines wohlgeordneten Gegen- und Miteinander von Solo und Tutti studieren. In sein d-Moll-Konzert BWV 1052 R hat er, wie damals üblich, auch Teile eigener Werke (etwa aus der Kantate „Ich habe meine Zuversicht“ BWV 188) integriert. Fundament des Ganzen ist der Beginn des Werkes: sieben einstimmig vorgetragene Takte mit großen Tonsprüngen und spannungsvollen rhythmischen Konstellationen.
Johann Sebastian Bach: „Kunst der Fuge“
Wie bei vielen letzten Werken ranken sich auch um Bachs „Kunst der Fuge“ zahlreiche Legenden. Die vielleicht bekannteste betrifft den am Schluss abgedruckten „vierstimmig ausgearbeiteten Kirchenchoral, den der selige Mann in seiner Blindheit einem seiner Freunde aus dem Stehgreif in die Feder diktiert hat“, wie es in der Erstausgabe heißt. Denn: Die Choralbearbeitung „Vor deinen Thron tret ich hiermit“ gehört möglicherweise gar nicht zu diesem Meisterwerk. Auch stammt der Titel dieses Zyklus’ wahrscheinlich nicht von Bach. Mit Sicherheit kann jedoch eines gesagt werden: Die „Kunst der Fuge“ besteht aus 18 relativ kurzen Variationen, die alle in derselben Tonart d-Moll stehen und auf ein und dasselbe Grundthema zurückgehen. Diese wegen ihrer Kompositionstechnik als Contrapunctus (in vier Fällen auch als Canon) bezeichneten Stücke sind so konstruiert, dass das gleiche Thema nacheinander von allen beteiligten Stimmen vorgetragen wird und die Partien aufs Kunstvollste verflochten werden. Dass sie gleichsam voreinander „fliehen“, umschreibt der Begriff „Fuge“, der sich vom lateinischen fuga (Flucht) ableitet.
Im Contrapunctus I erklingt die Urgestalt des Themas: Auf den Grundton d folgen ein nach unten fallender d-Moll-Dreiklang sowie auf- und abwärts führende Tonschritte, die wieder beim d landen. Diese Keimzelle begegnet dem aufmerksamen Hörer in abgewandelter Form immer aufs Neue. Vieles ließe sich noch über den musikalischen Reichtum der „Kunst der Fuge“, die bis ins 20. Jahrhundert hinein als intellektuell und nicht konzertgeeignet galt, sagen. Man kann es jedoch auch mit dem großen Arzt und Bach-Spezialisten Albert Schweitzer halten: „Hören, spielen, lieben, verehren und – das Maul halten!“
Das 2009 von Musikern des Konzerthauses gegründete Konzerthaus Kammerorchester besteht fast ausschließlich aus Mitgliedern des Konzerthausorchesters Berlin und kommt ohne Dirigenten aus. Der demokratisch organisierte Klangkörper hat einen festen Platz in der Konzertsaison des Hauses und tritt wiederholt auf internationalen Podien in Erscheinung. So führten mehrere Konzertreisen das Ensemble beispielsweise in die Türkei, nach Holland und nach Japan.
Mehrere CD-Einspielungen sind erschienen, darunter mit dem Geiger Daniel Hope aus der Reihe „Recomposed by Max Richter“ die „Vier Jahreszeiten“ nach Antonio Vivaldi, ausgezeichnet mit dem „Echo Klassik“ 2013. Das Repertoire konzentriert sich hauptsächlich auf Werke für Streichorchester, aber auch auf Bearbeitungen von großen Kammermusikwerken wie zum Beispiel Schuberts Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“ in der Bearbeitung von Gustav Mahler. Auch sinfonische Werke mit kleinerer Bläserbesetzung oder Solokonzerte mit Solisten wie dem Cellisten Julian Steckel, dem Geiger Ning Feng oder dem Pianisten Matthias Kirschnereit gehören zum Programm.
Die Erste Konzertmeisterin des Konzerthausorchesters Berlin wurde in Ashiya (Japan) geboren, studierte in Tokio bei Takashi Shimizu, in den USA bei Eduard Schmieder sowie in Freiburg im Breisgau bei Rainer Kußmaul. Seit 2008 ist sie Mitglied im Konzerthausorchester. Sie ist Primaria im Konzerthaus Quartett und Künstlerische Leiterin des Konzerthaus Kammerorchesters.
Die Geigerin ist Gewinnerin und Preisträgerin zahlreicher internationaler Wettbewerbe (darunter Rodolfo-Lipizer-Violinwettbewerb, Paganini-Wettbewerb, Sibelius-Violinwettbewerb, Michelangelo Abbado International Violin Competition, Idemitsu Music Prize). Als Solistin und Kammermusikerin konzertiert sie in Europa, Japan und den USA. Seit 2013 ist Sayako Kusaka „Special Guest“-Konzertmeisterin des Yomiuri Nippon Symphony Orchestra in Tokio.