Vogler Quartett

von Dr. Sebastian Urmoneit 1. November 2025

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Inhalt

Vogler Quartett


Tim Vogler  Violine
Frank Reinecke  Violine
Stefan Fehlandt  Viola
Stephan Forck  Violoncello

Oliver Triendl  Klavier


Joseph Haydn (1732 – 1809)
Streichquartett F-Dur op. 74 Nr. 2 Hob III:73
Allegro spirituoso
Andante grazioso
Menuetto. Allegro
Finale. Presto

 

Jörg Widmann (*1973)
Streichquartett Nr. 2 („Choralquartett“)
Sehr langsam, tastend, suchend


Dmitri Schostakowitsch (1906 – 1975)
Fünf Stücke für zwei Violinen und Klavier
Präludium
Gavotte
Elegie
Walzer
Polka

 

Pause
 

Robert Schumann (1810 – 1856)
Klavierquintett Es-Dur op. 44
Allegro brillante
In Modo d’una Marcia. Un poco largamente
Scherzo. Molto vivace
Allegro ma non troppo


In Zusammenarbeit mit dem Vogler Quartett

Haydns F-Dur-Quartett Hob. III:73

Im Kopfsatz seines F-Dur-Quartetts überlagert Haydn zwei Arten, in denen Sonatensätze im 18. Jahrhundert komponiert wurden: zunächst monothematisch, dann zwei Themen aufweisend. Eröffnet wird der Satz durch ein achttaktiges Unisono, in dessen „Thema vor dem Thema“ Haydn die motivische Substanz des ganzen Satzes vorstellt. Das ihm folgende Hauptthema wird später auf die fünfte Stufe versetzt und wie in der monothematischen Sonatenform wiederholt. Es bildet aber dort den Bass zu einem in den Violinen zumindest angedeuteten Seitenthema. Am Ende des Satzes sind Haupt- und Unisono-Thema zu einem Gedanken geworden. Der zweite Satz ist eine Variationenfolge. Dem Thema in Dur folgen zwei Veränderungen, dann die Variante in der gleichnamigen Molltonart. Das Menuett des dritten Satzes hat im Hauptteil nichts mehr mit dem einfachen Tanz zu tun, aus dem es entwickelt wurde. Was seine Syntax und Harmonik betrifft, ist es der komplizierteste Satz des ganzen Quartetts. Der leichte Ton, mit dem das Finale eröffnet wird, gibt nur vor, dass Haydn das Quartett mit einem Kehraus-Rondo beschließt. Schon die Synkopen-Bildung im Thema selbst und die dunklen Schatten, die das Seitenthema in c-Moll auf die Fröhlichkeit wirft, strafen diese Erwartung Lügen. Haydn setzt in diesem Schlusssatz ein Gegengewicht zum Kopfsatz.

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Widmanns „Choralquartett“

Jörg Widmann charakterisiert sein zweites Quartett – komponiert 2003 und überarbeitet 2006) – als „eine fast autistische, rätselhafte Musik, die nur Fragezeichen an die Wand malt. Es ist ein einziger langsamer Satz.“ Es beziehe sich nach seinen Worten an keiner Stelle konkret auf Haydns „Sieben letzte Worte“. Dennoch wäre es ohne das Wissen um dieses Werk undenkbar. Haydns Satzfolge aus „ausschließlich (bis auf das abschließende Erdbeben) langsamen Sätzen“ ist von „schockierender Eindringlichkeit. Noch verstörender ist für mich das gelassene zuversichtlich-heitere Annehmen des Todes bei Haydn“. Widmann konzentrierte sich in seinem Quartett auf den „letzten Gang“. „Mein Stück beginnt am Ende eines Weges. Es sind lauter letzte Klänge, die nirgendwoher kommen und nirgendwohin führen. Das entsetzliche Reiben und Schmirgeln von Haut auf Holz wird zum Thema gemacht und durch Stille verbunden mit tonal Choralhaftem. Mich interessiert daran, wie im Verlauf des Stückes Geräusch nicht mehr für Desolates und Tonales nicht mehr für Zuversicht steht.“

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Schostakowitschs Fünf Stücke

Schostakowitsch hat rund vierzig Filmmusiken komponiert, aus denen vor allem der Musikwissenschaftler Lewon Atowmjan Suiten zusammengestellt hat. 1970 arrangierte er einzelne Sätze und gab sie als „Fünf Stücke für zwei Violinen und Klavier“ heraus: Das Präludium geht auf die Musik zum Film „Hornisse“ op. 97 zurück. In der Gavotte arrangierte er ein Stück aus der Schauspielmusik „Die menschliche Komödie“ op. 37, das Schostakowitsch später in der dritten Suite seiner Ballettmusik „Die Ballade vom tapferen Soldaten“ wieder verwendete. Im Walzer ist die Musik zu dem Zeichentrickfilm „Das Märchen vom Popen und seinem Knecht Balda“ op. 36 bearbeitet worden. Die Polka entstammt dem Ballett „Der helle Bach“ op. 39, der Komponist selbst hat sie später in die erste Suite seiner Ballettmusik „Die Ballade vom tapferen Soldaten“ aufgenommen.

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Schumanns Klavierquintett

Hatte sich Schumann 1840 mit dem Lied und 1841 mit der Sinfonie auseinandergesetzt, so schrieb er 1842 fünf große kammermusikalische Werke, die als seine bedeutendsten Beiträge zu dieser Spezies der Instrumentalmusik gelten. Nach den Streichquartetten fasste er den Entschluss, nie wieder ein kammermusikalisches Werk ohne die Mitwirkung des Klaviers zu komponieren. Zunächst schrieb er sein Klavierquintett, sofort im Anschluss daran das Klavierquartett in derselben Tonart. Schumann suchte in seiner Instrumentalmusik eine „höhere Potenz der Poesie“, die weder einem Programm folgt, noch rein musikalische Diskurse auskomponiert, sondern in tönenden Prozessen verfolgen lässt, wie Seelenzustände sich wandeln. Er wollte eine „Idee“ nicht nur in einem Satz verarbeiten, sondern „in anderen Gestaltungen und Brechungen auch in die folgenden Sätze verstrecken.“ In seinem Klavierquintett stellt das Hauptthema des Kopfsatzes das musikalische Material vor, das in allen vier Sätzen in unterschiedlichen Varianten wiederkehrt. Schon der Nachsatz des Themas ist die kantable Version des im Charakter auftrumpfenden Vordersatzes. Während seine vier Anfangstöne sich in Umkehrung in das Trio I des dritten Satzes schleichen, geistern die ihm im Thema selbst folgenden Töne im langsamen Satz herum und werden im Agitato dieses Satzes fast unmerklich aufgegriffen. Als singende Gegenstimme erscheinen sie im Trio II des dritten Satz und drängen sich schließlich noch in das Hauptthema des Finalsatzes hinein, bevor das Thema im zweiten Fugato der ausgedehnten Coda dieses Satzes, der Summe des ganzen Werkes, zu seiner letzten Blüte kommt. Schumann ging es nicht nur darum, bloße formale Geschlossenheit zu erreichen, sondern darum, dichterische und kompositorische Arbeit so eng wie diffizil miteinander zu verschränken. Immer wieder hat er, wie sich in seinen Rezensionen der Werke anderer Komponisten nachlesen lässt, die „feinen Bezüge“ gesucht, die „innerlichen, goldenen Fäden“, die nach seiner Auffassung durch alle phantastische Unordnung durchschimmern sollten.

Das Ensemble, das seit 1985 in unveränderter Besetzung spielt, wurde bereits ein Jahr nach seiner Gründung an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin mit dem Ersten Preis beim Streichquartettwettbewerb in Evian 1986 international bekannt. Eberhard Feltz, György Kurtág und das LaSalle Quartett, hier vor allem Walter Levin, förderten das Quartett und wurden zu prägenden Mentoren. Sein umfangreiches Repertoire reicht von Haydn über Bartók und die Zweite Wiener Schule bis zu Neuer Musik. So spielte es unter anderem die Werke von Karl Amadeus Hartmann sowie das mehrstündige Quartett Nr. 2 von Morton Feldman, realisierte zusammen mit dem Arditti Quartett einen Rihm-Zyklus zur EXPO 2000 und brachte Kompositionen beispielsweise von Moritz Eggert, Frank Michael Beyer, Ian Wilson, Jörg Widmann, Mauricio Kagel, Erhard Grosskopf, Taner Akyol und Sven-Ingo Koch zur Uraufführung. Regelmäßig arbeitet das Vogler Quartett mit Künstlern wie Jörg Widmann, David Orlowsky, Salome Kammer, Jochen Kowalski, Tatjana Masurenko oder Oliver Triendl zusammen. In der Vergangenheit konzertierte es unter anderem auch mit Lynn Harrell, James Levine, Bernard Greenhouse, Boris Pergamenschikow und Menahem Pressler.

In den europäischen Musikzentren fühlen sich die vier Musiker ebenso zu Hause wie in den USA, Japan, Australien und Neuseeland. Seit 1993 veranstaltet das Vogler Quartett im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt eine eigene Konzertreihe, seit 2000 ebenfalls in Neubrandenburg. 2000 gründete das Ensemble das jährlich stattfindende Kammermusikfestival „Musik in Drumcliffe“ im irischen Sligo und übernahm 2002 die künstlerische Leitung der Kammermusiktage Homburg/Saar. Die Mitglieder des Vogler Quartetts unterrichten an den Hochschulen in Berlin, Frankfurt, Leipzig und Stuttgart und geben Meisterkurse für professionelle Quartette in Europa und Übersee. Als Nachfolger des Melos-Quartetts hatte das Vogler Quartett die Professur für Kammermusik an der Musikhochschule in Stuttgart inne. Im Bereich der Musikvermittlung ist es bei „Musik in Drumcliffe“ und seit 2005 bei den mehrfach ausgezeichneten Nordhessischen Kindermusiktagen tätig.

Anlässlich des 30-jährigen Quartettjubiläums erschien Anfang 2015 im Berenberg Verlag das Buch „Eine Welt auf sechzehn Saiten – Gespräche mit dem Vogler Quartett“. Die Diskographie des Ensembles umfasst Werke unter anderem von Brahms, Schumann, Schubert, Mendelssohn, Reger, Schulhoff, Hartmann, Klarinettenquintette von Mozart und Golijov mit David Orlowsky sowie ein Tango-Album mit dem Bandoneonisten Marcelo Nisinman. Die CD „Paris Days – Berlin Nights“ mit Ute Lemper und Stefan Malzew erhielt eine Grammy-Nominierung. Sukzessive entsteht eine Gesamtaufnahme der Dvořák-Quartette für das Label cpo (vier Doppel-CDs sowie das Klavierquintett op. 81 liegen bereits vor).
Anfang 2021 erschienen zwei neue Alben beim Label Capriccio mit Werken von Georgi Catoire (mit Oliver Triendl) und Grigori Frid  (mit Elisaveta Blumina). Beide waren für den International Classic Award ICMA nominiert.

Oliver Triendl

ist ein engagierter Fürsprecher für vernachlässigte und selten gespielte Komponisten und kann auf etwa 150 CD-Einspielungen verweisen. Sein Repertoire umfasst rund 100 Klavierkonzerte und Hunderte von kammermusikalischen Stücken. Solistisch arbeitete er mit vielen renommierten Orchestern in Deutschland, anderen europäischen Ländern und in China; zu seinen Kammermusikpartnern und -partnerinnen zählen unter anderem Christian Altenburger, Eduard Brunner, Ana Chumachenko, David Geringas, Ilya Gringolts, Clemens Hagen, Sharon Kam, Isabelle van Keulen, Pekka Kuusisto, François Leleux, Paul Meyer, Sabine Meyer, Pascal Moraguès, Christian Poltéra, Alexander Sitkovetsky, Baiba Skride, Christian und Tanja Tetzlaff, Radovan Vlatković, Jan Vogler, Antje Weithaas, Carolin und Jörg Widmann sowie den Quartetten Apollon musagète, Artis, Atrium, Auryn, Carmina, Danel, Gringolts, Keller, Leipziger, Mandelring, Meta4, Minguet, Prazák, Schumann, Signum, Sine Nomine, Škampa, Talich und Vogler.

Oliver Triendl - Preisträger mehrerer nationaler und internationaler Wettbewerbe - wurde 1970 in Mallersdorf (Bayern) geboren und absolvierte sein Studium bei Rainer Fuchs, Karl-Heinz Diehl, Eckart Besch, Gerhard Oppitz und Oleg Maisenberg.

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