Vogler Quartett

von Dr. Sebastian Urmoneit 4. Mai 2024

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Inhalt

Vogler Quartett
     Tim Vogler Violine
     Frank Reinecke Violine
     Stefan Fehlandt Viola
     Stephan Forck Violoncello



Programm

 

Joseph Haydn (1732 – 1809)
Streichquartett G-Dur op. 54 Nr. 1 Hob III:58
Allegro con brio
Allegretto
Menuetto
Finale. Presto

 

Anton Webern (1883 – 1945)
Fünf Sätze für Streichquartett op. 5
Heftig bewegt. Tempo I – Etwas ruhiger, Tempo II
Sehr langsam
Sehr bewegt
Sehr langsam
In zarter Bewegung



Pause

 

Franz Schubert (1797 – 1828)
Allegro
Andante con moto
Scherzo. Allegro molto
Presto

„Verehrern guter Musik ... zu empfehlen“

Haydns G-Dur-Quartett op. 54 Nr. 1

Joseph Haydns Quartette Hob. III:57–62 werden mitunter als „Tost-Quartette” bezeichnet. Nachdem Johann Tost als „Anführer der 2. Violinen“ unter Haydn in der Esterházyschen Hofkapelle gespielt hatte, war er nach Auflösung der Kapelle als Notenschreiber tätig und hatte Haydn die oben genannten sechs Quartette abgekauft, um mit ihnen in Paris schnell Geschäfte zu machen. Für gewöhnlich aber hatte der Komponist die Veröffentlichung seiner Werke zwei Jahre lang zurückhalten lassen, damit man ihn zu den Konzerten einladen musste, wenn man sie hören wollte. Aus diesen Gründen und anderen Unstimmigkeiten hat Haydn dem Kaufmann die Quartette nicht gewidmet, obwohl dies bis heute so zu lesen ist.

Am Allegro-con-brio-Satz, mit dem das G-Dur-Quartett eröffnet wird, lässt sich bewundern, dass Haydn keine Formgehäuse ausfüllt, sondern die Form im Komponieren entstehen lässt.

Anstelle eines langsamen Satzes erklingt ein Allegretto, das wie eine kantable Arie über begleitenden Achteln beginnt. Während dieser Hauptteil in sich harmonisch sehr stabil ist, mussten die Modulationen im Mittelteil dem Publikum der Haydn-Zeit regelrecht frappant vorgekommen sein.

Das Menuett trägt zwar die Züge eines Deutschen Tanzes, weist aber vor allem im Satzzentrum derartige metrische Irregularitäten auf, dass von einem Tanzsatz kaum noch die Rede sein kann.

Als Finale komponiert Haydn ein Rondo über einen Refrain. Da er als Couplet eine Mollvariante dieses Themas einschiebt, entsteht das „Unding” eines monothematischen Rondos: Selbst in der Form, in der andere Komponisten thematischen Reichtum vorherrschen lassen, sucht Haydn die größtmögliche Einheit.

Aphoristische Kürze

Weberns Opus 5

Anton von Webern komponierte seine Fünf Sätze für Streichquartett op. 5 1909, ein Jahr nach dem Ende seines Studiums bei Arnold Schönberg. Sie sind als erste Werke von „aphoristischer“ Kürze in die Musikgeschichte eingegangen. Webern ordnete sie um den Mittelsatz an. Wie mit einem umgekehrt aufgesetzten Fernglas blickt er im ersten Satz auf den traditionellen Sonatensatz zurück, in dem er dem gehetzten ersten Thema ein breites, fast wienerisch klingendes zweites entgegenstellt. Der zweite Satz erinnert ganz entfernt an ein „Intermezzo“ des späten Brahms. Im Zentrum steht, als der kürzeste der fünf Sätze, ein groteskes Scherzo. Ihm folgt ein vierter, der, wie der zweite, mit „Sehr langsam“ überschrieben, „schon gänzlich Miniatur“ ist (Theodor W. Adorno). Der letzte endet „in zarter Bewegung“ „verlöschend“.

Die Fünf Sätze glichen „in nichts dem Genrestück, sind nicht mit dem ominösen Silbergriffel gezeichnet“; schrieb Adorno, „der Schock, der von ihnen ausgeht, enthebt sie der Sphäre des Still und Fein … Die Intensität, mit der sie sich zum Punkt zusammenziehen, verleiht ihnen zugleich Totalität: der Seufzer wiegt, wie Schönberg es bewunderte, den Roman auf, eine hochgespannte Geigengeste von drei Tönen buchstäblich die Symphonie ...“

Alle Sätze in Moll

Schuberts „Der Tod und das Mädchen“

Es gehört zu den Charakteristika der Instrumentalmusik Schuberts, vornehmlich in den langsamen Sätzen, Variationenfolgen über Themen eigener Lieder zu komponieren. Das Thema der Variationen aus dem Andante seines d-Moll-Quartetts entnimmt er der zweiten Strophe seiner Vertonung des Gedichts „Der Tod und das Mädchen“ von Matthias Claudius von 1817. In ihr antwortet der Tod dem Mädchen mit den Versen „Gib deine Hand, Du schön und zart Gebild!/ Bin Freund, und komme nicht, zu strafen./ Sei gutes Muts! ich bin nicht wild,/ Sollst sanft in meinen Armen schlafen!“ Häufig ist danach gefragt worden, ob Schubert nicht doch das gesamte Quartett in den Zusammenhang dieses Gedichts gestellt habe. Schon dass alle vier Sätze in Moll stehen, wofür sich kein Quartett der Komponisten der Wiener Klassik als Vorbild anführen lässt, gibt Anlass zu dieser Vermutung. So wurde in dem affektgeladenen Kopfsatz ein Reflex auf die erste Liedstrophe des Mädchens vernommen: „Vorüber! Ach, vorüber!/ Geh wilder Knochenmann! /Ich bin noch jung, geh Lieber! /Und rühre mich nicht an.“ In der Tat mutet der Kopfsatz in weiten Teilen wie eine Aria agitata ohne Text an.

Der Rhythmus des langsamen Satzes geht auf den der Pavane, einen Schreit- und Totentanz, zurück, den schon Beethoven im Allegretto der siebten Sinfonie stilisiert hatte.

Im Scherzo nimmt Schubert, so Peter Gülke, den sechsten der „Deutschen Tänze“ (D 790) auf. Allein im Trio weicht der düstere Ton, zumindest für kurze Zeit, dem versöhnlicheren des Ländlers.

Die dahinjagende Presto-Tarantella im 6/8-Takt lässt sich als Totentanz hören. Im Seitenthema hat Gülke eine Anspielung auf die Vertonung der Zeile: „Du liebes Kind, komm geh mit mir…“ aus dem „Erlkönig“ vernommen. Das Tempo des Finales steigert Schubert zwar furios ins Prestissimo, lässt den Satz dann aber doch in d-Moll enden.

Nach der ersten Aufführung im Februar 1826 im Freundeskreis berichtete Schuberts Freund Franz Lachner, dass der Geiger Ignaz Schuppanzigh nach dem Durchspielen dem Komponisten geraten haben soll: „Brüderl, das ist nichts, das lass gut sein; bleib Du bei Deinen Liedern!“ Schubert packte daraufhin „die Musikblätter still zusammen und verschloss sie für immer in seinem Pulte.“ Veröffentlicht wurde das Quartett erst 1829. Die öffentliche Uraufführung fand am 12. März 1833 in Berlin statt.

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Das Ensemble, das seit 1985 in unveränderter Besetzung spielt, wurde bereits ein Jahr nach seiner Gründung an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin mit dem Ersten Preis beim Streichquartettwettbewerb in Evian 1986 international bekannt. Eberhard Feltz, György Kurtág und das LaSalle Quartett, hier vor allem Walter Levin, förderten das Quartett und wurden zu prägenden Mentoren. Sein umfangreiches Repertoire reicht von Haydn über Bartók und die Zweite Wiener Schule bis zu Neuer Musik. So spielte es unter anderem die Werke von Karl Amadeus Hartmann sowie das mehrstündige Quartett Nr. 2 von Morton Feldman, realisierte zusammen mit dem Arditti Quartett einen Rihm-Zyklus zur EXPO 2000 und brachte Kompositionen beispielsweise von Moritz Eggert, Frank Michael Beyer, Ian Wilson, Jörg Widmann, Mauricio Kagel, Erhard Grosskopf, Taner Akyol und Sven-Ingo Koch zur Uraufführung. Regelmäßig arbeitet das Vogler Quartett mit Künstlern wie Jörg Widmann, David Orlowsky, Salome Kammer, Jochen Kowalski, Tatjana Masurenko oder Oliver Triendl zusammen. In der Vergangenheit konzertierte es unter anderem auch mit Lynn Harrell, James Levine, Bernard Greenhouse, Boris Pergamenschikow und Menahem Pressler.

In den europäischen Musikzentren fühlen sich die vier Musiker ebenso zu Hause wie in den USA, Japan, Australien und Neuseeland. Seit 1993 veranstaltet das Vogler Quartett im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt eine eigene Konzertreihe, seit 2000 ebenfalls in Neubrandenburg. 2000 gründete das Ensemble das jährlich stattfindende Kammermusikfestival „Musik in Drumcliffe“ im irischen Sligo und übernahm 2002 die künstlerische Leitung der Kammermusiktage Homburg/Saar. Die Mitglieder des Vogler Quartetts unterrichten an den Hochschulen in Berlin, Frankfurt, Leipzig und Stuttgart und geben Meisterkurse für professionelle Quartette in Europa und Übersee. Als Nachfolger des Melos-Quartetts hatte das Vogler Quartett die Professur für Kammermusik an der Musikhochschule in Stuttgart inne. Im Bereich der Musikvermittlung ist es bei „Musik in Drumcliffe“ und seit 2005 bei den mehrfach ausgezeichneten Nordhessischen Kindermusiktagen tätig.

Anlässlich des 30-jährigen Quartettjubiläums erschien Anfang 2015 im Berenberg Verlag das Buch „Eine Welt auf sechzehn Saiten – Gespräche mit dem Vogler Quartett“. Die Diskographie des Ensembles umfasst Werke unter anderem von Brahms, Schumann, Schubert, Mendelssohn, Reger, Schulhoff, Hartmann, Klarinettenquintette von Mozart und Golijov mit David Orlowsky sowie ein Tango-Album mit dem Bandoneonisten Marcelo Nisinman. Die CD „Paris Days – Berlin Nights“ mit Ute Lemper und Stefan Malzew erhielt eine Grammy-Nominierung. Sukzessive entsteht eine Gesamtaufnahme der Dvořák-Quartette für das Label cpo (vier Doppel-CDs sowie das Klavierquintett op. 81 liegen bereits vor).
Anfang 2021 erschienen zwei neue Alben beim Label Capriccio mit Werken von Georgi Catoire (mit Oliver Triendl) und Grigori Frid  (mit Elisaveta Blumina). Beide waren für den International Classic Award ICMA nominiert.

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