Boulanger Trio: "Teach Me!"

By Andreas Hitscher Nov. 22, 2025

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Inhalt

„Teach me!“ – The Students of Nadia Boulanger


Trio Boulanger 
Karla Haltenwanger  
Klavier
Birgit Erz  Violine
Ilona Kindt  Violoncello
 

Jean Françaix (1912 – 1997)
Trio pour violon, violoncelle et piano 
Viertel = 52
Scherzando
Andante
Allegrissimo

 

Aaron Copland (1900 – 1990)
„Vitebsk“ - Study on a Jewish Theme
Lento molto marcato – Grave cantabile – Subito Allegro vivace – Grave – Come Prima
 

Leonard Bernstein (1918 – 1990)
Themes from „West Side Story“
 

Pause
 

Quincy Jones (1933 – 2024)
Main title from „The Color Purple“
 

Philip Glass (*1937)
„Head on“
 

Astor Piazzolla (1921 – 1992)
„Las Cuatro Estaciones Porteñas“
Verano Porteño (Sommer, Allegro moderato)
Otoño porteño (Herbst, Allegro moderato)
Invierno Porteño (Winter, Lento)

Primavera Porteña (Frühling, Fuga, Allegro)


 

Die Lehrerin …

„In der Musik zu leben ist mir eine solche Quelle der Freude“, bekannte Nadia Boulanger rückblickend, „dass ich versucht habe, diese Freude in meiner Lehrtätigkeit zu teilen …“ Nachdem sie schon zuvor Unterrichtsstunden am Pariser Konservatorium erhalten hatte, war sie 1896, also mit neun, offiziell in das Institut eingetreten. Schon 1904 begann Nadia Boulanger selbst zu unterrichten. Nach dem frühen Tod ihrer jüngeren Schwester Lili stellte sie das Komponieren nahezu vollständig ein und konzentrierte sich ganz auf die Weitergabe ihres Wissens. 1919 wurde sie Kompositionslehrerin an der neu gegründeten École Normale de Musique in Paris; zwei Jahre später initiierte sie eine Musikschule für Amerikanerinnen und Amerikaner in Fontainbleau mit und begann zudem mit Mittwochsunterricht in ihrer Wohnung. 1940 fand sie mit der Fontainebleau-Schule ein Exil in Newport/Rhode Island in den USA und erhielt 1946, nach ihrer Rückkehr nach Frankreich, eine erneute Professur am Pariser Konservatorium. Als sie 1957 pensioniert wurde, behielt sie die private Unterrichtstätigkeit bei.

Es waren viele hundert von angehenden Tonsetzerinnen und Tonsetzern, die Nadia Boulanger im Laufe ihres langen Lebens unter die Fittiche nahm. Aber zu ihrer eingeschworenen Gefolgschaft, der sogenannten „Boulangerie“, gehörten nicht nur Schülerinnen und Schüler im engeren Sinne, sondern auch Freunde und Kollegen wie Igor Strawinsky, Maurice Ravel, Arthur Honegger, Yehudi Menuhin oder Leonard Bernstein. Ein legendärer Unterrichts- und Begegnungsraum blieb bis zu ihrem Tod der Salon mit Cavaillè-Orgel, Flügel und zweitem Klavier in der 1904 bezogenen Wohnung in der Pariser Rue Ballu. Bis zu 50 Personen fanden Platz; die Zusammenkünfte umfassten Analysen, Blattsingen und die Kontrolle der Hausaufgaben ebenso wie Diskussionen über Musik. Gelegentlich soll „Mademoiselle“, um den Unterricht nicht zu unterbrechen, parallel Telefonate entgegen- oder Mahlzeiten eingenommen haben. Und war der Unterricht auch zumeist mit großer Strenge verbunden, so ging es ihr um Ermutigung: „Es braucht eine festgelegte Sprache, und dann in dieser Sprache die Freiheit, man selbst zu sein ... Das allein ist schon etwas Geniales.“

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… und ihre Schüler

Jean Françaix dürfte einer der jüngsten Schüler gewesen sein, die Nadia Boulanger hatte. Wie sie in einem musikalischen Elternhaus (der Vater Pianist und Direktor des Konservatoriums von Le Mans; die Mutter Sängerin) aufgewachsen, war er zwar erst zehn, als er zu der angesagten Lehrerin kam, aber schon mit vielen musikalischen Wassern gewaschen. „Madame, ich sehe nicht ein, warum wir unsere Zeit damit verschwenden sollten, ihm Harmonielehre beizubringen“, schrieb Nadia Boulanger an seine Mutter, „er kennt Harmonie bereits. Ich weiß nicht wie, aber er kann es; er wurde damit geboren. Lassen Sie uns am Kontrapunkt arbeiten.“ Das heute erklingende Klaviertrio von Jean Françaix ist ein Spätwerk aus dem Jahr 1986.

Besonders amerikanische Eleven hatte Nadia Boulanger en masse. Der Komponist Virgil Thomson nannte sie eine „Ein-Frau-Graduiertenschule, die so einflussreich und durchdringend ist, dass die Legende besagt, dass jede amerikanische Stadt zwei Dinge besitzt – einen Billigladen und einen Boulanger-Schüler.“ Aaron Copland war 1921/22 ihr Student und bescheinigte seiner Lehrerin später „unbändige Liebe zur Musik und Fähigkeit, einem Schüler Vertrauen in seine eigenen kreativen Kräfte zu vermitteln“; hinzu kämen „eine erstaunliche kritische Scharfsinnigkeit und ein hohes Maß an weiblichem Charme und Witz.“ Sein Trio „Vitebsk” komponierte er 1929. Es ist inspiriert durch eine chassidische Volksmelodie, die Copland bei einem Gastspiel des Moskauer Künstlertheaters in der Carnegie Hall kennengelernt hatte.

Leonard Bernstein war kein Schüler, aber einer der engsten Vertrauten Nadia Boulangers und auch einer der letzten, der sie vor ihrem Tod besuchte. Er hätte die damals schon vor sich hin Dämmernde gefragt, ob sie Musik im Kopf hören würde und an Mozart, Monteverdi, Bach, Strawinsky oder Ravel gedacht. Aber die Antwort lautete: „Eine Musik … ohne Anfang, ohne Ende …‘“

Quincy Jones war schon ein gefragter Jazzmusiker, der sein erstes Album veröffentlicht hatte, als er 1957 bei Nadia Boulanger in die Lehre ging. Sie brachte – so sagte er später – Struktur in sein Denken und Arbeiten und hätte, nach einem guten Rat gefragt, geantwortet: „Es gibt nur zwölf Töne, Quincy, wirklich nur zwölf. Schauen Sie sich einfach mal an, was andere damit angestellt haben.“ Hier erklingen Themen aus seiner Musik zu Steven Spielbergs Film „The Color Purple“ von 1985.

Philip Glass studierte in den 1960ern bei Nadia Boulanger. „Ihre Pädagogik war gründlich und erbarmungslos“, lautete sein Fazit. „Aus einem jungen Mann mit sechsundzwanzig Jahren wurde wieder ein Kind, welches alles von Anfang an neu erlernte.“

Bleibt der Argentinier Astor Piazzolla, den es als Meister des Tango Nuevo vermutlich ohne Nadia Boulanger nie gegeben hätte. Als er 1954 zu ihr nach Paris kam, um ein „ernsthafter“ Komponist zu werden, vermisste sie bei ihm eine eigene Handschrift, fragte hartnäckig nach und stieß schließlich auch seine verheimlichte Tango-Leidenschaft und sagte: „‘Sie Idiot! Das ist Piazzolla!‘ Und ich nahm die ganze Musik, die ich die letzten zehn Jahre geschrieben hatte, und schickte sie zur Hölle ...“

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Boulanger Trio

Das Ensemble, das seit 18 Jahren auf den Konzertpodien der Welt zuhause ist, spielt nach wie vor in seiner Ursprungsbesetzung und hat nichts von seiner Leidenschaft und Spielfreude verloren. Ausgehend vom traditionellen Repertoire erkunden die drei Musikerinnen gern Neuland und verschaffen zu Unrecht vergessenen Kompositionen Gehör. Das Ensemble ist gern gesehener Gast in Sälen wie der Elbphilharmonie, dem Festspielhaus Baden-Baden, der Berliner Philharmonie, dem Brucknerhaus Linz, der Wigmore Hall London und dem Musikverein Wien und konzertiert regelmäßig mit Kammermusikpartnern wie Andrè Schuen, Omar Massa und Sebastian Manz. Die Musikerinnen sind bei internationalen Festivals zu Gast und konzertierten als Solistentrio mit Orchestern. Als gefragte Interpretinnen der Neuen Musik laden sie regelmäßig Komponisten und Komponistinnen in ihre eigene Konzertreihe, die Boulangerie, ein und pflegen künstlerische Freundschaften mit Beat Furrer, Johannes Maria Staud, Lera Auerbach, Olga Neuwirth und Matthias Pintscher. Ein wichtiger Wegbegleiter war zudem Friedrich Cerha. In Zusammenarbeit mit den Schauspielern Johann von Bülow, Ulrich Matthes und Ulrich Noethen sowie dem Literaturwissenschaftler Hans von Trotha hat das Ensemble mehrere Konzertlesungen kreiert. Seine elf Alben wurden von der Fachwelt begeistert aufgenommen: 2010 erhielt das Trio für seine Brahms-Schönberg-Liszt-CD den Excellentia Award in Luxemburg, seine Beethoven-CD sowie die Schostakowitsch-Vasks CD wurden mit dem Supersonic Award geehrt; die Trios von Juon und Tschaikowsky mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Seit 2021 erscheinen die Einspielungen beim Label Berlin Classics, darunter auch „Teach me! The Students of Nadia Boulanger“.

Bereits im Gründungsjahr wurde das Ensemble, zu dessen wichtigsten Mentoren Hatto Beyerle, Menahem Pressler, Ferenc Rados und Alfred Brendel zählen, zur Melbourne International Chamber Music Competition eingeladen; ein Jahr später gewann es den Trondheim International Chamber Music Competition in Norwegen. Ihr gemeinsames Kammermusikstudium absolvierten die Musikerinnen an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg, ergänzend dazu waren sie mehrere Jahre ECMA-Ensemble an der European Chamber Music Academy.

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