20.00 Uhr
Konzertchor Schlachtensee
Bennewitz Quartett
Jakub Fišer Violine
Štěpán Ježek Violine
Jiří Pinkas Viola
Štěpán Doležal Violoncello
Veronika Hagen Viola
Johannes Brahms (1833 – 1897)
Streichquartett B-Dur op. 67
Vivace
Andante
Agitato (Allegretto non troppo)
Poco Allegretto con variazioni – Doppio Movimento
Pause
Antonín Dvořák (1841 – 1904)
Streichquintett Es-Dur op. 97
Allegro non tanto
Allegro vivo
Larghetto
Finale. Allegro giusto
Kaum schönere Kammermusik
„Es war und blieb in ihm, dem Norddeutschen, eine tiefe Sehnsucht nach Farbe und Süden …“, behauptete Martin Gregor-Dellin in einem seiner Essays über Johannes Brahms und stellte dann fest: „Südlicheres kann nicht geschrieben werden als das Andante im B-Dur-Quartett op. 67.“ Wohin Brahms‘ innerer Kompass nun auch immer ausgeschlagen haben mag – eine Reise ins geliebte Italien hatte er im Frühjahr 1875 tatsächlich verschoben, um in Ziegelhausen bei Heidelberg an dem Quartett in B-Dur, seinem dritten, zu arbeiten. Waren die ersten beiden, vollendet im Sommer 1873, dem Chirurgen Theodor Billroth zugeeignet, fand er nun einen Widmungsträger in dem Utrechter Physiologen Theodor Wilhelm Engelmann. Zu einer privaten Aufführung mit dem Joachim-Quartett gelangte das Werk im Mai 1876 bei Clara Schumann, ein halbes Jahr später erfolgte, wieder mit dem Joachim-Quartett, die öffentliche Uraufführung in der Berliner Singakademie.
Mit einem Sonatensatz am Anfang, einem langsamen zweiten Satz in dreiteiliger Liedform, einem zwischen Scherzo und Menuett schwankenden Tanzsatz mit Trio an dritter Stelle und einem Finale in Variationenform folgt der Aufbau ganz der Konvention. Brahms lässt strenge thematische Arbeit zugunsten einer lockeren, fast serenadenartigen Fügung zurücktreten und schlägt – nicht nur mit der eröffnenden und sich vielleicht bewusst vor Mozarts KV 458 verneigenden Jagdmotivik – pastorale Töne an. Der Dramatik werden enge Grenzen gesetzt, aber sie ist keineswegs abwesend; die Affekte wechseln durchaus auf engem Raum. Man spürt dies schon im Vivace, das den wortgewandten Musik-Exegeten Richard Specht an einen „Eisenbahnfahrenden“ erinnerte, „dem sich die König Ludwig-Gavotte mit dem Rhythmus der klappernd rollenden Räder vermengt“. Ambivalent mutet auch die Schönheit im Andante an, eingeleitet „mit dem Vogelflug eines Geigenthemas, das, in D-Dur scheinbar doch so hell angelegt, eine Einsamkeits- und Abschiedtrauer von nicht nacherzählbarem Inhalt heraufruft.“ (Martin Gregor-Dellin) Das Agitato – hier spielen die drei anderen Instrumente zugunsten der dominierenden Bratsche mit Dämpfer – führt mit seinem Auf und Ab, Innehalten und Neubeginnen von allen vier Sätzen vielleicht die deutlichste Rede. Geradezu verspielt, wie eine Galanterie mit volksliedhaften Versatzstücken, nehmen sich danach die ruhigen Variationen des Finales aus – nur in die siebente, kurz vor Ende, drängen sich noch einmal die Signale vom Werkbeginn. „Du hast wohl selber kaum schönere Kammermusik geschaffen“, schwärmte Joseph Joachim dem Komponisten gegenüber und bescheinigte besonders dem dritten Satz „zauberische Romantik“.
Ein Böhme in Iowa
1877, also kurz nach der Uraufführung seines dritten Quartetts, empfahl Brahms seinem Verleger Fritz Simrock, Werke Antonín Dvořáks zu veröffentlichen und brachte damit die Karriere des tschechischen Mittfreißigers in entscheidender Weise voran. Anderthalb Jahrzehnte später war Dvořák so berühmt, dass man ihn bat, in die USA zu kommen, Konzerte mit eigenen Werken zu dirigieren und die Leitung des neuen Nationalkonservatoriums in New York zu übernehmen. Der zuhause in Böhmen zur Galionsfigur der „Nationalmusik“ Gewordene sollte nun auch der amerikanischen Musik zur Eigenständigkeit verhelfen. Im Schmelztiegel der „Neuen Welt“ – so Dvořáks baldige Erkenntnis – konnte nur die Folklore einer neuen Musik die Basis geben, ob „die Originalgesänge … aus Afrika kämen oder von den Plantagen stammten“, ob die Inspiration auf „Kreolenlieder, den Gesang des roten Mannes oder auf die klagenden Weisen des heimwehkranken Deutschen oder Norwegers zurückzuführen“ sei. „Heimwehkrank“ war auch Dvořák schnell geworden, und die Entscheidung, den Sommerurlaub 1893 in dem Dörfchen Spillville im Staate Iowa zu verbringen, hatte zuallererst in einem besonderen Vorzug der Dorfbevölkerung ihre Begründung: „Lehrer und Pfarrer, alles ist tschechisch ...“ Hier schwelgte er im Glück und kündete davon in seinem F-Dur-Quartett ebenso wie in seinem weniger bekannten Es-Dur-Quintett.
Die Zweite Bratsche beginnt das Quintett mit einem kurzen pentatonischen Motiv, das zusammen mit den unmittelbar darauf einsetzenden charakteristischen Synkopen den ganzen Satz prägt, der nach tänzerischer Fröhlichkeit eher melancholisch endet. Auch den nächsten Satz eröffnet die Zweite Bratsche, diesmal mit einem Rhythmus, den Dvořák angeblich indianischen Trommlern abgelauscht haben soll – ansonsten ist die deutlich folkloristische Färbung aber hörbar eher böhmisch. Im Trio bieten betörende Soli der Ersten Violine und der Ersten Bratsche Ruhepunkte. Das Thema der in dunklem Moll einsetzenden Variationsfolge an dritter Stelle ist die erste Melodie, die Dvořák in seinem „Amerikanischen Skizzenbuch“ notierte, allerdings noch vor der Fahrt über den Ozean. Der Satzschluss findet zu verklärendem Pianissimo in Dur. Nahezu durchweg unbeschwert gibt sich dann das vorwärtsdrängende Finale.
Die Vermutung, dass Dvořák eine künstlerische Anregung für sein Werk in den Streichquintetten des Freundes Brahms fand, besonders in dessen G-Dur-Quintett vom Sommer 1890, ist naheliegend. Und Fritz Simrock, der sich zwischenzeitlich mit Dvořák über finanzielle Fragen entzweit hatte, übernahm bei Opus 97 auch wieder die Drucklegung – für ein überaus ansehnliches Honorar.
Das in Prag beheimate Ensemble ist ein wichtiger Kulturbotschafter Tschechiens. Die Musiker verkörpern mit ihrer Homogenität, ihrer technischen Perfektion und ihrem tiefen Empfinden par excellence das böhmisch-tschechische Klangidiom. Regelmäßig sind sie zu Gast in der Wigmore Hall London, dem Wiener Musikverein, dem Konzerthaus Berlin, dem Théâtre des Champs-Elysées Paris, der Frick Collection New York, dem Seoul Arts Center und der Elbphilharmonie Hamburg, in zahlreichen Städten der USA, bei den Salzburger Festspielen, dem Lucerne Festivals, dem Lockenhaus Festivals, dem Rheingau Musik Festivals, dem Schleswig-Holstein Musik Festivals und dem Prager Frühling. Kammermusikpartner des Quartetts sind unter anderem Jean-Yves Thibaudet, Alexander Melnikov, Martin Kasìk, Vadim Gluzman und Isabel Charisius. Das Bennewitz Quartett gewann Erste Preise beim Wettbewerb in Osaka 2005 und beim Prémio Paolo Borciani in Italien 2008. Sein Namensgeber ist der bedeutende Geiger Antonín Bennewitz, Begründer der tschechischen Violinschule. Das Bennewitz Quartett war Residenzensemble der Tschechischen Philharmonie im Rudolphinum Prag, umrahmte 2019 die Gedenkstunde für die Opfer des Holocaust im Deutschen Bundestag und vertrat die Tschechische Republik bei der Abschlussfeier zum Ende ihrer EU-Ratspräsidentschaft in Madrid.
Auf den zahlreichen CDs des Ensembles liegen Werke von Bartók, Dvořák, Haydn, Janáček, Smetana, Krása, Ullmann, Schulhoff und Haas vor. Im September 2024 veröffentlichte Supraphon das neue Album mit Quartetten von Haydn, Mozart, Vanhal und Dittersdorf.
www.bennewitzquartet.com
ist seit mehr als 40 Jahren mit dem Hagen Quartett auf allen großen Bühnen der Welt zu Haus. Die in Salzburg geborene Bratschistin zählt zu ihren Lehrern und Kammermusikpartnern Hatto Beyerle, Gidon Kremer, Heinrich Schiff, Nikolaus Harnoncourt, Ivry Gitlis, Mitsuko Uchida, Krystian Zimerman, Sabine Meyer, Sol Gabetta und Jörg Widmann. Ihre Diskographie umfasst neben den zahlreichen und oft prämierten Quartett-Einspielungen auch Aufnahmen als Solistin, unter anderem mit den Viola-Sonaten von Brahms (mit Paul Gulda am Klavier) und Mozarts Sinfonia Concertante (mit Augustin Dumay und der Camerata Salzburg). Als Mitglied des Lucerne Festival Orchestra konzertierte sie seit 2002 regelmäßig unter dem Dirigat von Claudio Abbado, Andris Nelsons sowie Riccardo Chailly. Veronika Hagen unterrichtet seit 1988 an der Universität Mozarteum in Salzburg und hat dort seit 2003 eine Professur für Viola sowie für Kammermusik inne. Meisterkurse gab sie unter anderem in Paris, Madrid, Barcelona, Lissabon, Luzern, Bern, Verbier und an der Internationalen Sommerakademie in Salzburg.
Sehr geehrte Konzertbesucher,
gerne möchten wie Sie an dieser Stelle bereits auf Streichquartett International der kommenden Saison aufmerksam machen: