Instrument des Monats Cello – ganz nah an der Stimme

von Konzerthaus Berlin 13. Mai 2022

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11 Fakten rund ums Cello, unser Instrument des Monats Mai! Wer hat nicht schon mal in einer Kantilene dieses früher etwas unbeholfen auch Kniegeige genannten Streichinstruments geschwelgt? Zwar behaupten (fast) alle Musiker*innen von ihrem Instrument, dass es der menschlichen Stimme am ähnlichsten klingt. Beim Cello fällt es uns aber tatsächlich oft besonders leicht, dem zuzustimmen.

 

1.

Kleine Großviola

Violoncello, Limoncello – ob Streichinstrument oder Zitronenlikör, im Italienischen signalisiert die Silbe „-ello" liebevolle Verkleinerung! Unser Cello war zu Beginn seiner Laufbahn im 16. Jahrhundert einfach der kleine Bruder der Violone, aus der sich später der Kontrabass entwickelte. Man könnte den Namen auch mit „Kleine Großviola“ übersetzen. Wie klein oder groß die zahlreichen Mitglieder dieser Streichinstrumentenfamilie genau waren, stand damals nicht fest. Erst Antonio Stradivari und seine Cremoneser Schule vereinheitlichten die Maße zumindest bei Geige und Cello.

2.

Zu lasziv für „Frauenzimmer“?

Kaum zu glauben: Die Haltung des Instruments zwischen den Beinen wurde lange als anrüchig empfunden. Noch bis in die 1950er Jahre spielten die wenigen existierenden Cellistinnen ihr Instrument seitlich und damit in „anständiger Damenposition“. Heute sind Frauen am Cello längst völlig selbstverständlich und sogar weltberühmt wie unsere ehemalige Artist in Residence Sol Gabetta.

3.

Echte Beinarbeit

Ursprünglich besaßen Celli keinen Stachel, um sie auf dem Boden abzustützen. Stattdessen hielten die Musiker sie mit den Beinen fest. Der stützende Stachel kam erst um 1850 auf. Bei sehr alten Instrumenten sind stattdessen manchmal im oberen Teil Löcher zu sehen. Mit ihrer Hilfe hängten Musiker sich das Cello um und konnten stehend oder sogar gehend spielen.

4.

Die Sache mit dem Darm

Was zum wundervollen Klang des Cellos beiträgt, finden manche vielleicht ein bisschen eklig: Cellosaiten wurden und werden teilweise aus Darm hergestellt. Während man früher reinen Darm verwendete, spielen Cellist*innen heute vor allem auf Stahlsaiten, deren Darm- oder Kunststoffkern metallumwickelt ist. Auch der Leim, der die Holzteile des Cellos zusammenhält, ist tierischen Ursprungs. Dieser Hautleim hat den Vorteil, dass er in die Holzporen eindringt und Mikrozapfen bildet. So sind am Ende keine Fugen im Instrument sichtbar.

5.

Cello goes Pop

Cello und Pop passen gut zusammen: Die Beatles haben dem Instrument in den 1960er Jahren mit ihren Hits „Eleanor Rigby“ und „Strawberry Fields Forever“ in die Charts verholfen. Seitdem wurde das Cello von Coldplay, Nirvana, One Republik und vielen anderen verwendet. Ganz zu schweigen von Udo Lindenberg und der Hymne „Cello“ an die Cellistin seines Herzens.

6.

Cello goes Metal

Nachdem sie Stücke ihrer Lieblingsband Metallica erfolgreich bei ihrer Abschlussprüfung gespielt hatten, waren sich die finnischen Cello-Absolventen einig: „DAS ist es!" Ihr inzwischen weltbekanntes Celloquartett Apocalyptica covert mit elektronisch verstärkten Instrumenten Metalsongs. Neben Metallica haben sie zum Beispiel Rammstein, Slayer und Sepultura drauf. Schon auf ihrem zweiten Album hat Apocalyptica außerdem Eigenkompositionen veröffentlicht.

7.

Celli oder Cellos?

Nichts, worüber man sich streiten müsste – laut Duden ist nämlich beides richtig!

8.

Vom Underdog zum heimlichen Orchesterstar

Das Cello musste sich seinen Platz als Melodie- oder gar Soloinstrument erst erobern. Der Star am Streicherhimmel war schon im Barock die Geige, das Cello wurde wegen seines melancholischen Klangs als „Kummerkasten“ verspottet und in der Partitur mit den Kontrabässen lange einfach als „Bassi“ zusammengefasst. In der Klassik sollte sich das ändern: Beethoven war einer der ersten, der das Cello in seinen Kompositionen auch als Melodieinstrument verwendete. Dank vieler herrlich gesanglicher Orchesterstellen bei Romantikern wie Tschaikowsky, Brahms, Schumann oder Dvořák und großartigen Solokonzerten hat es das Cello weit nach oben geschafft: Neben dem Publikum sind auch viele unserer Orchestermitglieder bekennende Fans und favorisieren es als Alternativinstrument „im nächsten Leben“.

Wer mit Cello reist –  wie hier unser Cellist Alexander Kahl auf einer China-Tournee des Konzerthausorchesters – braucht immer einen Zusatzplatz. Aber dafür spielt man eben auch ein sehr schönes Instrument!

9.

Der Gigant und sein Erbe

Der russische Cellist Mstislaw „Slawa“ Rostropowitsch (1927 – 2007), dem wir 2017 unsere Hommage gewidmet haben, war einer der bedeutendsten Vertreter seiner Zunft. Das Repertoire, dessen Umfang Cellist*innen ohnehin etwas beklagen, wäre ohne ihn weitaus schmaler. Er hat mehr als 100 Werke in Auftrag gegeben, uraufgeführt und eng mit Komponisten zusammengearbeitet. Zum Beispiel mit Sergej Prokofjew, der sein erstes Cellokonzert so intensiv überarbeitete, dass daraus die „Sinfonia Concertante“ wurde. Das Stück war so schwer, dass es außer Rostropowitsch lange niemand spielen wollte.

10.

Schützengraben statt Orchestergraben

Musik hat Soldaten zu allen Zeiten Trost und Ablenkung verschafft, ob auf Märschen oder in der Etappe. Mitgenommen wurden natürlich vor allem kleine Instrumente wie Mundharmonika oder Ukulele. Im Stellungskrieg des Ersten Weltkriegs saß man teilweise monatelang in Schützengräben fest. Wie manch anderer vermisste der junge Cellist Maurice Maréchal sein Instrument sehr. Zwei Kameraden, im Zivilleben Schreiner, bauten ihm 1915 aus Munitionskisten und Resten einer Eichentür  „Le Poilu“ (dt. „Der Frontsoldat“) ein provisorisches Cello. Musiker und Instrument überstanden den Krieg unbeschadet, sein „violoncelle de guerre" wird im Pariser Musée de la Musique aufbewahrt.

Frontensemble im Ersten Weltkrieg mit „Kriegscello“

11.

Klimawandel für Cello Solo

Die globale Erwärmung kann man inzwischen nicht nur sehen und fühlen, sondern auch hören: Daniel Crawford, Student an der University of Minnesota, wandelte ein Klimadiagramm der Jahre 1880 bis 2012 in ein Musikstück für Cello um. Jede Note steht für ein Jahr. Je mehr die globale Oberflächentemperatur steigt, desto höher werden die Töne. Insgesamt umfasst das Werk drei Oktaven.

Fotos und Illustrationen: Marco Borggreve (Titel), Peter Lely ca. 1650 (1), Uwe Arens/Sony (2), Andreas Timm (4), Ralf Forster (7, 8) CAMI (9), Y. Medmoun (10)

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