15.00 Uhr
Rundgang
Ja, und zwar nicht wegen ihrer Größe und des Volumens, sondern weil die Orgel so viele Klangfarben und Register vereint. Viele Dirigenten haben übrigens ziemlichen Respekt davor, gleichzeitig vor einer Orgel und einem Sinfonieorchester zu stehen. Andere mögen grade diese Situation gern: Zwei Orchester auf einmal zu dirigieren, das ist eine Provokation im positiven Sinne!
Ich spiele wo immer möglich neben dem Dirigenten an einem Freispieltisch, ähnlich wie eine Pianistin. Manche Kollegen sitzen lieber weiter weg, aber mir ist diese physische Nähe wichtig. Nicht nur wegen des Klangs, sondern auch, weil man so den Orchestermitgliedern in die Augen schauen und zusammen atmen kann. Im Zusammenspiel mit ihnen habe ich an der Orgel mehrere Rollen – mal bin ich Solistin, mal Kammermusikpartnerin, mal virtuose Kadenzspielerin. Das ist wie in einem Schauspiel. Dabei muss ich immer beachten, dass der Orgelklang mit gewisser Verspätung kommt. Wie das genau ist, muss ich in jedem Saal neu berechnen oder besser gesagt intuitiv erfassen.
Meine eigenen Vorbereitungen an der Orgel sind intensiv und dauern etliche Stunden. Als Organistin hat man nur eine sehr kurze Beziehung zu jedem Instrument, bevor man es wieder zurücklässt. Weil ich aber schon an vielen Orten gespielt habe, habe ich eine Art innerer Orgelkartothek und kann auf einen großen Erfahrungsschatz mit Instrumenten und Sälen zurückgreifen. Ich fühle mich wie eine Komponistin mit einer Partitur, die ein Werk instrumentiert, denn die Klangfarben und Register stehen nie in den Noten. Ich wähle sie auf jeder Orgel vorher aus und speichere sie dann elektronisch, wenn das technisch möglich ist. Das ist die Vorarbeit.
Es wird leider sehr selten aufgeführt. Ich freue mich enorm darauf, es mit dem Konzerthausorchester, das ich ja schon gut kenne und sehr schätze, und Dirigent Yutaka Sado jetzt sogar drei Mal dem Publikum zu präsentieren. Ich finde unglaublich, dass Copland dieses Stück bereits mit 24 Jahren komponiert hat, denn es ist sehr anspruchsvoll geschrieben. Die Uraufführung 1925 hat seine Lehrerin Nadia Boulanger gespielt. Alle drei Sätze sind komplett unterschiedlich und ergänzen sich wie separate Episoden in einem Film: Eine bittersüße Pastorale, ein sehr amerikanisches, augenzwinkerndes urbanes Scherzo mit schönen Soli im Orchester und schließlich ein triumphierender, majestätischer dritter Satz mit einer gewissen Schärfe, der sehr gut für Orgel komponiert ist. Aus diesem Satz höre ich noch mehr als aus den anderen eine Hitchcock-Stimmung, aber das Publikum sollte sich einfach überraschen und das Stück auf sich wirken lassen!
Ich freue mich sehr auf zwei außergewöhnliche Konzerte: In der Walpurgisnacht, also am 30. April, beginnen wir um 23:59 Uhr. Aus seiner Bühnenmusik zu Goethes „Faust“ für das Wiener Burgtheater hat Petr Eben ein Werk für Orgel zusammengestellt, das ich spielen werde. Der Schauspieler Max Hopp liest dazwischen aus dem „Faust“. Es wird also in gutem Sinne theatralisch, auch mit passender Lichtstimmung. Am 18. Juni öffne ich zum Abschluss der Saison „Ivetas Pralinenschachtel“ mit vielen kurzen musikalischen Überraschungen und Publikumsgespräch.
Foto: Pablo Castagnola